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THEMA: Eklatante Prüflücke bei Kinderarzneimitteln

Eklatante Prüflücke bei Kinderarzneimitteln 15 Sep 2013 11:13 #33860

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Die Welt 15.09.2013

Mama, macht mich das gesund?"

Die Hälfte der Medikamente, die Kinder nehmen, wurden nicht für ihre Altersgruppe geprüft. Seit fünf Jahren müssen Hersteller Neuzulassungen testen – doch ältere Wirkstoffe sind davon nicht betroffen. Von Ulrike Viegener

Der kindliche Körper verarbeitet viele Wirkstoffe ganz anders als der Organismus von Erwachsenen

Medikamente können ein Segen sein – wenn sie Schmerzen lindern, Krankheiten heilen oder Symptome verringern helfen. Doch neben der erwünschten Wirkung ist es wichtig, dass die Wirkstoffe den Körper keinen unverhältnismäßigen Risiken aussetzen. Das gilt natürlich für alle Menschen, in besonderem Maße aber für Kinder. Denn sie befinden sich noch in der Entwicklung, und Medikamente haben auf ihren Organismus häufig eine andere Wirkung als auf den Körper von Erwachsenen.

Doch über fünfzig Prozent aller Arzneimittel, die bei Kindern zum Einsatz kommen, wurden vorher überhaupt nicht in dieser Altersgruppe geprüft. Deshalb gibt es bereits seit fünf Jahren eine EU-Richtlinie, die Pharmahersteller diesbezüglich in die Pflicht nimmt, und erste Fortschritte zeichnen sich inzwischen allmählich ab. Die Prüfung von Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen wird durch die EU-Richtlinie in allen Mitgliedsstaaten verpflichtend gemacht – sonst gibt es keine Zulassung. Dies gilt für sämtliche Neuzulassungen mit Ausnahme sogenannter Generika, also wirkstoffgleicher Nachahmerpräparate. Für Medikamente, die in der Kinderheilkunde keine Rolle spielen, kann auf Antrag auch eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden.

Doch wie konnte es anfangs überhaupt zu einer solch eklatanten Prüflücke bei Kinderarzneimitteln kommen? In den frühen 60er-Jahren ereignete sich der größte Arzneimittelskandal in der deutschen Geschichte: der Contergan-Skandal. Damals mussten Hersteller neue Arzneimittel lediglich registrieren lassen, damit sie auf den Markt kamen. Das Beruhigungsmittel Contergan wurde unter anderem auch gegen die morgendliche Schwangerschaftsübelkeit empfohlen – die Nebenwirkungen hatte man im Labor nur mit Nagetieren untersucht und nichts Auffälliges bemerkt.

Doch die Einnahme in der frühen Schwangerschaft schädigte das Wachstum des Fötus: Fehlbildungen oder das Fehlen von Gliedmaßen und Organen tauchten bei Neugeborenen vermehrt auf, etwa 5000–10.000 soll es betroffen haben. Erst nach diesen Erfahrungen wurden Prüfungen auf die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikaments vorgeschrieben, bevor es offiziell zugelassen werden konnte. Allerdings – auch dafür ist der Contergan-Skandal maßgeblich verantwortlich – wurden Arzneiprüfungen bei Kindern mit hohen Auflagen und Einschränkungen belegt. Zum Schutz der Kinder, so wurde damals argumentiert.

Prüfungen sind für Hersteller nicht lukrativ

Diese Strategie hat sich jedoch in der Folge als Bumerang erwiesen: Fehlende Studien machen die Arzneiverordnung bei Kindern nicht selten zur Zitterpartie. Denn nicht vor Arzneimittelprüfungen, sondern durch sorgfältig durchgeführte müssen Kinder geschützt werden. Deshalb wurden die Zügel für solche Medikamententests inzwischen gelockert. Nach wie vor dürfen die Medikamente dabei nicht an gesunden Kindern geprüft werden. Aber ein therapeutischer Nutzen muss – im Unterschied zu früher – nicht für jedes in die Studie eingeschlossene Kind zu erwarten sein. Entscheidend ist ein potenzieller Nutzen für das Gesamtkollektiv von Kindern, die an der betreffenden Krankheit leiden.

Es sind jedoch keineswegs nur ethische Bedenken für das Fehlen pädiatrischer Arzneiprüfungen verantwortlich. Solche Prüfungen sind für die Pharmaindustrie auch schlichtweg nicht lukrativ. Denn Kinder und Jugendliche sind einerseits ein vergleichsweise kleiner Markt – und anderseits sind pädiatrische Untersuchungen in der Regel besonders aufwendig. Dem trägt die EU-Richtlinie aber insofern Rechnung, als sie den Herstellern neuer Medikamente im Gegenzug eine Verlängerung des Patentschutzes um sechs Monate gewährt.

Trotz der EU-Richtlinie ist aber derzeit noch immer nur jedes fünfte Medikament auf dem Markt auch bei Kindern und Jugendlichen geprüft und zugelassen. Und das bedeutet: Medikamente werden in der Kinderheilkunde oft ins Blaue hinein verabreicht. Mehr als die Hälfte aller Medikamenteneinsätze bei Kindern erfolgen "Off Label" – also ohne Zulassung. Diese Zahl wurde 2007 von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA publiziert. Fünf Jahre nach Inkrafttreten der EU-Richtlinie zog die Europäische Kommission im Juni dieses Jahres nun Bilanz und legte einen sogenannten Fortschrittsbericht vor.

Bis 2012 hat die EMA 600 pädiatrische Prüfkonzepte genehmigt. 33 Prüfungen sind bereits abgeschlossen. 31 von insgesamt 152 Neuzulassungen bei Medikamenten waren für den Einsatz an Kindern und Jugendlichen bestimmt. Außerdem wurden 72 bereits bei Erwachsenen etablierte Medikamente nachträglich auch für Kinder zugelassen – diese Medikamente werden nun nachträglich entsprechend gekennzeichnet. Norbert Wagner, Chef der Unikinderklinik in Aachen und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, hatte sich allerdings mehr erhofft. "Wir brauchen für unsere kleinen Patienten unbedingt viel mehr Medikamente mit gesicherten Wirk- und Sicherheitsprofilen. Der off label use ist eine unzumutbare Belastung für das kranke Kind und für den behandelnden Arzt."

Prüfzentren sollen alte Medikamente testen

Dem Engagement der Fachgesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin ist es maßgeblich zu verdanken, dass der Missstand bei den Medikamenten endlich zu einem Politikum geworden ist. Die EU-Richtlinie, so Wagner, greife allerdings zu kurz, da der große Topf der alteingeführten Medikamente unangetastet bleibt. Den Kinderärzten schwebt daher eine andere Lösung vor: Spezielle Prüfzentren, etwa an Universitätsklinken, sollte es geben. Dort könnten Medikamente – und zwar auch solche, die bei Erwachsenen schon lange etabliert sind, gezielt an Kindern erprobt werden. Die Bemühungen, den Gesetzgeber diesbezüglich in die Pflicht zu nehmen, waren aber bislang erfolglos. Vor allem bei schwereren Erkrankungen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, stellt sich das Problem des off label use.

Während es für weitverbreitete Kinderkrankheiten genug geprüfte Medikamente gibt, stehen die Ärzte bei selteneren schweren Erkrankungen oft studientechnisch vor dem Nichts und müssen experimentieren. Die meisten Off-Label-Anwendungen finden auf pädiatrischen Intensivstationen statt, wobei die Rate auf Neugeborenen-Intensivstationen mit rund 90 Prozent am höchsten ist. Wenn ein Kind ein nicht für das Alter zugelassenes Medikament benötigt, dann muss das der behandelnde Arzt bislang auf seine Kappe nehmen. Er trägt die volle Verantwortung, sollte etwas schieflaufen – und die behandelten Kinder werden gleichzeitig zu Versuchskaninchen.

Die Unklarheit bezüglich der richtigen Dosis ist ein vorrangiges Problem. Vorsichtig muss sich der Arzt an die optimale Dosierung für das jeweilige Kind herantasten – was wertvolle Zeit kosten kann. Die bisweilen immer noch angewendete Faustregel "bei Kindern die halbe Dosis" ist längst überholt, weil sie viel zu wenig differenziert. Oft fehlen auch kindgerechte Darreichungsformen für die Wirkstoffe. Große Tabletten, die sich nicht exakt teilen lassen, müssen irgendwie zerkleinert werden. Säfte oder andere Darreichungsformen, die Kinder besser schlucken können, gibt es häufig nicht.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – diese Aussage des Entwicklungspsychologen Jean Piaget gilt auch im Hinblick auf die medikamentöse Therapie. Der sich entwickelnde Organismus weist physiologische Besonderheiten auf, welche die Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Arzneimitteln beeinflussen. Magen und Darm, Leber und Nieren – alles Organe, die über das Schicksal von Arzneistoffen im Körper entscheiden – sind bei Kindern noch nicht ausgereift und funktionieren deshalb anders als bei Erwachsenen. Auch die bei Kindern höhere Atemfrequenz, der niedrigere Blutdruck und ihr größeres Schlafpensum spielen bei Arzneiwirkungen eine Rolle. Vieles ist im Fluss während der kindlichen Entwicklung.

Fett nimmt zu, Wasser nimmt ab

So können Säuglinge Medikamente in den ersten Wochen nur sehr langsam abbauen und ausscheiden. Bei älteren Kindern dagegen ist die Leber – als zentraler Umschlagplatz des Stoffwechsels – im Verhältnis zum Körpergewicht größer als bei Erwachsenen. Deshalb werden in dieser Lebensphase viele Arzneistoffe tatsächlich schneller abgebaut, als das bei Erwachsenen der Fall ist. Auch der Körperfettanteil von Kindern ändert sich mit der Zeit. Das ist wichtig, weil sich manche Arzneistoffe bevorzugt im Fettgewebe anreichern. Bei Frühgeborenen zum Beispiel liegt der Fettanteil bei nur drei Prozent. Bei normal geborenen Säuglingen sind es dagegen zwölf Prozent, und bis zum fünften Lebensjahr steigt der Fettanteil dann auf etwa 20 Prozent an.

Demgegenüber nimmt die Wassermenge im Körper mit zunehmendem Alter ab. Fettlösliche Medikamente müssen deshalb bei Kindern deutlich niedriger und wasserlösliche höher dosiert werden als bei Erwachsenen. Aus all diesen Besonderheiten des kindlichen Organismus kann – wenn die Medikation nicht richtig angepasst wird – ein höheres Risiko eventuell gefährlicher Nebenwirkungen resultieren. Es kann auch zu unerwünschten Wirkungen kommen, die bei Erwachsenen gar nicht bekannt oder extrem selten sind. Ein Beispiel ist das durch Acetylsalizylsäure, Bestandteil vieler Kopfschmerztabletten, ausgelöste Reye-Syndrom, das überwiegend Kinder im Alter zwischen vier und neun Jahren trifft.

Es handelt sich um eine seltene, aber schwere Komplikation mit Hirn - und Leberschäden, die in 25 Prozent der Fälle sogar tödlich verläuft. Ein besonderes Problem ist auch der Einsatz von Medikamenten während einer Schwangerschaft. Bei Arzneiprüfungen an Frauen im gebärfähigen Alter ist daher grundsätzlich ein sicherer Verhütungsschutz Voraussetzung für eine Studienteilnahme. Andererseits kann auch während der Schwangerschaft die Gabe von Medikamenten erforderlich werden, und dann sollten entsprechende Sicherheitsdaten vorliegen.

Der Fall Contergan hat gezeigt, welch gravierende Schäden Medikamente beim heranreifenden Embryo hervorrufen können. Bereits bei der einmaligen Einnahme einer einzigen Tablette kann der Arzneistoff Thalidomid, der Contergan zugrunde liegt, verheerende Störungen der Embryonalentwicklung auslösen. Bevor klinische Prüfungen am Menschen durchgeführt werden, sind heute Studien an Zellkulturen und am Tiermodell vorgeschaltet, um einen schädigenden Einfluss auf das Erbgut oder die Embryonalentwicklung möglichst von vornherein auszuschließen.

Aber auch diese Tests können Untersuchungen am Menschen nicht ersetzen. Dazu kommt: In der Vergangenheit wurden viele Arzneimittelstudien nur an einer speziellen Stichprobe durchgeführt: jungen bis mittelalten Männern. Und man ging stillschweigend davon aus, dass die Ergebnisse auf alle anderen übertragbar sind. Dass dies Wunschdenken war, weiß man inzwischen. Streng genommen müssen Arzneiprüfungen an Männern und Frauen erfolgen – denn auch zwischen den Geschlechtern gibt es deutliche Unterschiede – sowie an Menschen unterschiedlichen Alters. Auch ältere Menschen reagieren auf Medikamente anders als Probanden im vollen Mannesalter, und Kinder tun das allemal – für diese Erkenntnis muss man eigentlich kein Mediziner sein.

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Braunauge
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Eklatante Prüflücke bei Kinderarzneimitteln 16 Sep 2013 10:12 #33868

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www.heilpraxisnet.de/naturheilpraxis/vie...geprueft-9018109.php

heilpraxisnet.de
15.09.2013

Viele Medikamente nicht für Kinder geprüft
Medikamente nicht für Kinder getestet

Arzneimittelzulassung: Fünfzig Prozent der Arzneien nicht speziell für Kinder getestet
Rund die Hälfte aller Arzneien, die junge Patienten einnehmen, wurden nicht speziell auch für ihre Altersgruppe getestet. Betroffen sind dabei vor allem ältere Wirkstoffe.

Nur fünfzig Prozent getestet
Immer wieder ist von unerwünschten Nebenwirkungen von Medikamenten die Rede. Von Arzneien, die eigentlich dazu gedacht sind, Schmerzen zu lindern oder Krankheiten zu heilen, können manchmal unverhältnismäßig hohe Risiken ausgehen. Dies gilt vor allem für Kinder, denn die befinden sich noch in der Entwicklung und die Arzneimittelwirkstoffe haben oft eine andere Wirkung auf deren Organismus als auf den Körper von Erwachsenen. Von den Medikamenten, die bei Kindern zum Einsatz kommen, wurden über fünfzig Prozent vorher nicht in dieser Altersgruppe geprüft.

Gesetzliche Richtlinien
Die EU hat bereits 2007 eine Arzneimittelverordnung erlassen, die Pharmakonzerne verpflichtet, jedes neue Medikament auch in Studien mit Kindern zu testen. Erste Fortschritte würden sich mittlerweile abzeichnen. Ohne die Einhaltung der Richtlinien, die in allen EU-Mitgliedssaaten verpflichtend sind, gibt es keine Zulassung. Betroffen davon sind sämtliche Neuzulassungen, jedoch nicht sogenannte Generika, also wirkstoffgleiche Kopien von bereits auf dem Markt befindlichen Produkten. Ausnahmegenehmigungen können erteilt werden für Medikamente, die in der Kinderheilkunde keine Rolle spielen.

Kinder an etwa fünf Prozent der Studien beteiligt
Doch noch bis vor wenigen Jahren war die Zahl der Studien mit Kindern nicht signifikant gestiegen, wie der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Prof. Fred Zepp im Jahr 2011 meinte. So waren damals nach Angaben der DGKJ nur an etwa fünf Prozent aller Studien Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren beteiligt. Neugeborene und Kleinkinder bis zwei Jahre seien durchschnittlich in 0,5 bis zwei Prozent der Studien beteiligt gewesen.

Eklatante Prüflücke
Ein Grund für die eklatante Prüflücke bei Kinderarzneimitteln könnte der Contergan-Skandal sein. Damals, in den frühen 60er-Jahren, mussten Hersteller neue Medikamente lediglich registrieren lassen, um auf den Markt zu kommen. Die Einnahme des Beruhigungsmittels, das unter anderem gegen die morgendliche Schwangerschaftsübelkeit empfohlen wurde, führte zu tausenden Fällen von Fehlbildungen oder gar dem Fehlen von Gliedmaßen und Organen bei Neugeborenen. Erst diese Erfahrungen führten dazu, dass Prüfungen auf die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikaments vorgeschrieben wurden, bevor es eine Zulassung erhält. Gleichzeitig war der Skandal maßgeblich dafür mitverantwortlich, das Arzneiprüfungen bei Kindern mit hohen Auflagen und Einschränkungen belegt wurden. Argumentiert wurde mit dem Schutz der Kinder.

Nutzen für das Gesamtkollektiv
Allerdings scheint diese Strategie nicht ganz aufzugehen, da fehlende Studien die Medikamentenverordnung bei jungen Patienten oft schwierig machen. Experten meinen, es gehe darum, Kinder durch sorgfältig durchgeführte Untersuchungen zu schützen und deshalb seien die Zügel für solche Tests mittlerweile auch etwas gelockert worden. Es gilt aber nach wie vor, dass Medikamente dabei nicht an gesunden Kindern geprüft werden dürfen. Aber im Gegensatz zu früher müsse ein therapeutischer Nutzen nicht mehr für jedes in die Studie eingeschlossene Kind zu erwarten sein. Ein potentieller Nutzen für das Gesamtkollektiv von Kindern, die an der betreffenden Krankheit leiden, sei entscheidend.

Prüfungen nicht lukrativ für Pharmaindustrie
Für das Fehlen pädiatrischer Arzneiprüfungen seien jedoch keineswegs nur ethische Bedenken verantwortlich. Wie so oft im Gesundheitswesen, spiele der wirtschaftliche Aspekt eine Rolle. Für die Pharmaindustrie sind solche Prüfungen schlichtweg nicht lukrativ. Zum einen sind Kinder und Jugendliche nur ein kleiner Markt und zum anderen sich pädiatrische Untersuchungen normalerweise sehr aufwendig. Die EU-Richtlinie trägt dem aber insofern Rechnung, als sie den Produzenten neuer Medikamente im Gegenzug eine Verlängerung des Patentschutzes um sechs Monate gewährt.

Nur jedes fünfte Medikament für Kinder getestet
Derzeit werde jedoch trotz der EU-Richtlinie noch immer nur jedes fünfte Medikament auf dem Markt bei Kindern und Jugendlichen getestet und zugelassen. Daraus folgt, dass in der Kinderheilkunde immer noch viele Arzneien ins Blaue hinein verabreicht werden. Über fünfzig Prozent der Medikamenteneinsätze bei Kindern erfolge „Off Label“, das heißt ohne Zulassung. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hatte diese Zahl im Jahr 2007 publiziert. Die Europäische Kommission zog fünf Jahre nach Inkrafttreten der EU-Richtlinie Bilanz und legte einen sogenannten Fortschrittsbericht vor: Die EMA hat 600 pädiatrische Prüfungen bis 2012 genehmigt. 33 Prüfungen waren bereits abgeschlossen und 31 von insgesamt 152 Neuzulassungen bei Medikamenten waren für den Einsatz an Kindern und Jugendlichen bestimmt. Darüber hinaus wurden 72 Medikamente, die bereits bei Erwachsenen etabliert waren, nachträglich auch für Kinder zugelassen.

Off-Label-Use ist eine Zumutung
Der Chef der Unikinderklinik in Aachen und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Norbert Wagner, hatte sich mehr erhofft: „Wir brauchen für unsere kleinen Patienten unbedingt viel mehr Medikamente mit gesicherten Wirk- und Sicherheitsprofilen. Der "off label use" ist eine unzumutbare Belastung für das kranke Kind und für den behandelnden Arzt.“ Laut Wagner greife die EU-Richtlinie zu kurz, da der große Topf der alteingeführten Medikamente unangetastet bleibe.

Kinder werden zu Versuchskaninchen
Dass der Missstand bei den Medikamenten endlich zu einem Politikum geworden ist, sei maßgeblich dem Engagement der Fachgesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin zu verdanken. Nach den Vorstellungen der Kinderärzte solle es spezielle Prüfzentren, etwa an Universitätskliniken geben, wo Medikamente, die bereits länger bei Erwachsenen etabliert sind, gezielt an Kindern erprobt werden könnten. Bislang gebe es dafür aber keine Bemühungen des Gesetzgebers und so stelle sich bei schweren Erkrankungen weiterhin das Problem des „Off Label Use.“ Für weitverbreitete Kinderkrankheiten gibt es in der Regel genug geprüfte Medikamente, bei schwereren Erkrankungen würden Ärzte jedoch oft studientechnisch vor dem Nichts stehen und müssen experimentieren. Dabei finden die meisten dieser „Off-Label-Anwendungen“ auf pädiatrischen Intensivstationen statt, wobei die Rate auf Neugeborenen-Intensivstationen mit rund 90 Prozent am höchsten ist. Bislang muss ein Arzt es auf seine eigene Kappe nehmen, wenn ein Kind ein nicht für sein Alter zugelassenes Medikament benötigt. Wenn also etwas schief läuft, trägt er die alleinige Verantwortung und die behandelten Kinder werden gleichzeitig zu Versuchskaninchen.

„Für Kinder halbe Dosis“ ist überholt
Ein vorrangiges Problem bleibt die Unklarheit bezüglich der richtigen Dosis. Der Arzt muss sich erst an die optimale Dosierung herantasten und verliert dabei wertvolle Zeit. Auch die teilweise noch angewandte Regel „bei Kindern die halbe Dosis“ sei längst überholt, da sie viel zu wenig differenziert. Außerdem würden oft kindgerechte Darreichungsformen fehlen, wenn sich etwa große Tabletten nicht exakt teilen ließen. Andere Varianten, die sich leichter schlucken lassen, wie beispielsweise Säfte gebe es häufig auch nicht.

Kinder entwickeln sich noch
Bei Kindern und Jugendlichen weist der sich entwickelnde Organismus physiologische Besonderheiten auf, welche die Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Arzneimitteln beeinflussen. So sind etwa Organe wie Leber, Niere, Magen und Darm noch nicht ausgereift und funktionieren anders als bei Erwachsenen. Außerdem haben Kinder in der Regel eine höhere Atemfrequenz, niedrigeren Blutdruck und ein größeres Schlafpensum. All dies sind Faktoren, die bei der Wirkung von Medikamenten eine Rolle spielen können.

Besonderheiten des kindlichen Organismus
Weitere Umstände, die bei der Verabreichung von Arzneien bei den Jüngsten beachtet werden müssen: Säuglinge können Medikamente in den ersten Wochen nur sehr langsam abbauen und ausscheiden. Da sich der Körperfettanteil bei Kindern mit der Zeit ändert und sich manche Arzneistoffe bevorzugt im Fettgewebe anreichern hat dies Auswirkung auf die Medikamenten-Dosierung. Ein weiterer Punkt ist die Wassermenge im Körper, die mit zunehmendem Alter abnimmt. Deshalb werden fettlösliche Medikamente bei Kindern deutlich niedriger und wasserlösliche höher dosiert als bei Erwachsenen. Es gilt also all diese Besonderheiten des kindlichen Organismus zu berücksichtigen, sonst drohen manchmal unerwünschte oder gefährliche Nebenwirkungen, die teils bei Erwachsenen gar nicht bekannt oder extrem selten sind. (ad)
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Eklatante Prüflücke bei Kinderarzneimitteln 16 Sep 2013 10:16 #33869

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Braunauge schrieb:

Prüfungen nicht lukrativ für Pharmaindustrie
Für das Fehlen pädiatrischer Arzneiprüfungen seien jedoch keineswegs nur ethische Bedenken verantwortlich. Wie so oft im Gesundheitswesen, spiele der wirtschaftliche Aspekt eine Rolle. Für die Pharmaindustrie sind solche Prüfungen schlichtweg nicht lukrativ.


Lernt man eigentlich nie dazu ???
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Eklatante Prüflücke bei Kinderarzneimitteln 16 Sep 2013 11:30 #33870

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Profitgier hat hierbei keine Grenzen! Ohne Rücksicht auf Verluste!

Ungeheuerlich!

Und die Politik schenkt der Pharmaindustrie ihr Lobby!

Wahnsinn!

LG
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Eklatante Prüflücke bei Kinderarzneimitteln 16 Sep 2013 15:33 #33878

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16.09.2013

Medikamente für Kinder unzureichend getestet

Noch immer werden Medikamente für Kinder nicht ausreichend getestet. Dies ist problematisch, denn ein Kind hat ganz andere physische Gegebenheiten als ein Erwachsener. Dies macht die Behandlung der kleinen Patienten oft zu einem riskanten Experiment.

Gut die Hälfte der Medikamente, die auf den Markt kommen, sind nicht gesondert für Kinder getestet worden. In der Folge wissen Ärzte nicht genau, wie sie die Arzneien bei ihren kleinen Patienten einsetzen und dosieren sollen. Gleichzeitig sind jedoch klinische Studien über die Wirkung der Medikamente an Kindern moralisch heikel und daher strengen Vorschriften und Einschränkungen unterworfen. Auch wenn diese inzwischen etwas gelockert wurden.
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Vor allem ältere Wirkstoffe wurden nicht noch einmal daraufhin überprüft, welche Auswirkungen die Einnahme der Medikamente auf kranke Kinder haben kann. Der Körper der Kleinen befindet sich noch in der Entwicklung. Beispielsweise sind die inneren Organe wie Niere, Magen, Darm und Leber noch nicht ausgewachsen, die Atemfrequenz ist bei Kindern höher, der Blutdruck niedriger und das Schlafpensum größer. Darüber hinaus verändern sich der Körperfettanteil und die Wassermenge im Körper der Kleinen noch. Fettlösliche Medikamente müssen daher niedriger und wasserlösliche höher dosiert werden als bei Erwachsenen.
Für Medikamente, die neu auf den Markt kommen, greift eine EU-Verordnung von 2007, die besagt, dass Arzneien vor der Zulassung erst an Kindern getestet werden müssen. Doch davon sind beispielsweise Generika – Medikamenten-Kopien, die den gleichen Wirkstoff wie das Original enthalten, das bereits zugelassen ist – ausgenommen.
Experimente und Studien, um Medikamente an Kindern zu testen, galten nach dem Contergan-Skandal in den frühen 1960er Jahren als ethisch verwerflich. In der Folge wurden zwar erstmals Tests zur Wirkung und Unbedenklichkeit von Arzneien vorgeschrieben, bevor diese zugelassen wurden. Doch zum Schutz der Kinder wurden die Prüfungen an ihnen stark beschränkt und mit hohen Auflagen bedacht. Die starken Einschränkungen wurden zwar inzwischen gelockert, doch noch immer besteht Nachholbedarf über die Auswirkung der Medikamente auf Kinder.
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