Bericht über das Contergan-Symposium am 16.03.2024 im Großen Kursaal in Stuttgart-Bad Cannstatt
Einlass zur Veranstaltung ab 13.45h, Ende der Veranstaltung: ca.23.30h
Zielsetzung für das am 16.03.2024 stattgefundene Contergan-Symposium war es zum einen, die wesentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema Contergan zusammenzuführen. Insoweit ermöglichten die auf dem Symposium stattgefundenen conterganspezifischen wissenschaftlichen Vorträge aus den thematisch wichtigsten Fachbereichen Historie, Recht und Gesundheit/Soziales nicht nur eine gute Gesamtschau auf den Status Quo der Erkenntnisse zum Thema Contergan, sondern zudem einen guten interdisziplinären Austausch. Hierbei flossen auch die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse des Contergannetzwerkes Deutschland e.V. mit ein.
Zum anderen war es ein weiteres wichtiges Ziel, die Geschädigten in diesen Diskurs zu inkludieren. Dies wurde sichergestellt, indem jede gestellte Nachfrage nach den Vorträgen beantwortet wurde.
Ein besonderes Anliegen war es dabei auch, dass die gehörlosen, bzw. hörgeschädigten Teilnehmer vollständig einbezogen wurden. Durch Einrichtung und Reservierung eines speziellen Raumes, mit Sitzplätzen vor der Bühne und eine hohe Anzahl von Gebärdensprachdolmetscherinnen wurde die vollständige Teilhabe sichergestellt.
Nachfolgend wird der Ablauf des Symposiums beschrieben, insbesondere die Referenten vorgestellt und über die wesentlichen Ergebnisse berichtet:
Einleitung und Grußworte
- Das Symposium begann mit der Begrüßung durch den Bundesvorsitzenden des Contergannetzwerkes Deutschland e.V., Christian Stürmer.
- Hieran schloss sich ein Grußwort des Stellvertretenden Ministerpräsidenten und Minister des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen an: https://contergannetzwerk.de/images/videos/Thomas_Strobl.mp4 .
- Ein weiteres Grußwort hielt der Staatssekretär a.D. und Bundestagsabgeordneter Markus Grübel.
Hiernach erfolgten die Vorträge der Wissenschaftler:
PANEL 1 zur Historie:
- Als erste Fachreferentin führte die Historikerin Dr. Agnieszka Kita vom staatlichen Museum KZAuschwitz-Birkenau zu historischen Hintergründen des angeblichen Contergan-Erfinders Dr. Harald Mückter aus, welcher in der Zeit, in welcher der Nationalsozialismus herrschte, in Krakau Leiter desInstitutes für Fleckfieber- und Virusforschung des Oberkommandos des Heeres war, insofern Fleckfieberimpfstoffforschung an KZ-Häftlingen in Ausschwitz vorgenommen wurde (Vgl. „CONTERGAN, Expertise zur historischen Aufarbeitung, der Arbeit der Conterganstiftung“, S. 12, FN 19: https://contergan-infoportal.de/fileadmin//user_upload/2024_06_25_Expertise_Conterganstiftung_finale_Fassung_Nachbesserung.pdf). Im Hinblick auf die Frage, ob der Wirkstoff von Contergan aus dieser Forschung stammt, konnte Frau Dr. Kita insbesondere ein Dokument vorlegen, in welchem ein im KZ Ausschwitz inhaftierter polnischer Zwangsarbeiter nach Behandlung mit Fleckfieberimpfstoff von denselben Symptomen berichtete, wie sie später auch nach Einnahme von Contergan auftraten.
- Als zweiter Referent ergänzte dergeschäftsführende Direktor des Institutes des Institutes für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin/Universität Giessen. Prof. Volker Roelcke, u.a. mit Ausführungen zur Methodik der Fleckfieberimpfstoffforschung im NS-Regime.
Als Ergebnis des historischen Teils kann vor allem festgehalten werden, dass fraglich ist, ob der Wirkstoff des Präparates Contergan, entgegen den kolportierten Behauptungen, wirklich bei der Firma Grünenthal entwickelt wurde, oder er nicht vielmehr aus dem von Mückter betriebenen Fleckfieberimpfstoffprogramm stammt.
PANEL 2 - Recht:
- Herr Prof. Dr. Stefan Geibel, Direktor des Institutes für deutsches und europ. Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht an der Ruprecht- Karls-Universität Heidelberg; Maître en droit (Université Aix-Marseille III) trug er zu den Grundlagen der Entschädigungsansprüche aus einer Thalidomidembryopathie (Conterganschädigung), ferner zu den rechtshistorischen Gegebenheiten und der Verantwortungsübernahme des Staates vor. Der Staat hat, indem er mit § 23 Abs. 1 des Errichtungsgesetzes der Conterganstiftung, die Haftungsansprüche der Conterganbetroffenen gegen die Firma Grünenthal (welche das Präparat Contergan herstellte und vertrieb), zum Erlöschen brachte, eine besondere Verantwortung übernommen, aus der alleine schon eine weitreichende Haftungsübernahme zu Gunsten der Menschen mit Conterganschädigung folgt. Hier zum Vortrag von Prof. Geibel: https://contergannetzwerk.de/images/videos/Prof-Geibel.mp4.
Nach dem Referat wurden die umfangreichen Fragen aus dem Auditorium eingehend beantwortet.
- Als zweiter Referent zum Panel Recht erläuterte Rechtsanwalt Michael Ashcroft die momentan bestehenden verwaltungsrechtlichen Probleme bezüglich conterganspezifischer Leistungen. Weitergehend erläuterte er das sog. Behindertentestament und die insoweit bestehenden Schwierigkeiten.
Auch an Rechtsanwalt Ashcroft wurden anschließend vielzählige Fragen gerichtet, die gleichfalls sehr emphatisch beantwortet wurden.
PANEL 3 - Gesundheit:
- Zunächst trug der in Sachen Contergan renommierte Prof. Eric Schmitt vom Gerontologischen Institut der Universität Heidelberg vor. Hierbei referierte er ausführlich seinen Part an der Expertise der Universität Heidelberg aus dem Jahr 2024 „zur historischen Aufarbeitung der Conterganstiftung“ vor, wobei es um die soziale und gesundheitliche Situation der Conterganbetroffenen, insbesondere deren Wohnsituation, und die im Verhältnis zur Normalbevölkerung überdurchschnittlich hohen Schmerzen geht.
Zur Expertise:
- Anschließend referierte Prof. Klaus Peters, Chefarzt der Dr. Rhein-Sieg-Klinik in Nünbrecht (auch Kompetenzzentrum der Conterganstiftung) zur gegenwärtigen gesundheitlichen Lage der Conterganbetroffenen, führte zu den bestehenden, im Verhältnis zur Normalbevölkerung überdurchschnittlich hohen Verschleißerscheinungen der Körper der Conterganbetroffenen aus und wie diese Entwicklungen ein wenig aufgehalten werden können und was dazu auch die Dr. Rhein-Sieg-Klinik anbietet. Er erläuterte insbesondere die bei den Geschädigten besonderen Gelenkprobleme,
Hier der Link zum Vortrag von Prof. Peters: https://contergannetzwerk.de/images/videos/Prof-Peters.mp4.
- Die Physiotherapeutin Marlene Ashcroft machte nach dem langen Vortragstag mit den Anwesenden Bewegungs- und Tanzübungen, was mit großer Freude angenommen wurde.
Damit wurde schon der „gemütliche Teil“ eingeläutet, wobei bei Musik, Getränken und Essen die Gelegenheit bestand, miteinander ins Gespräch zu kommen, Fragen an die Referenten zu stellen oder seinen individuellen Fall mit einer hierfür geeigneten Person zu besprechen. Davon wurde umfangreich Gebrauch gemacht.
Resümee
Zusammenfassend kann zur Veranstaltung festgehalten werden, dass die wesentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse diskutiert wurden, die Referenten vielfach untereinander Kontakt aufgenommen haben, somit diese Diskussionen die weitere wissenschaftlichen Erkenntnissfindungen positiv beeinflussen werden. Die Referenten haben es geschafft, ihre Vortragsinhalte so zu kommunizieren, so dass diese für anwesende Contergangeschädigte, insbesondere für die Menschen mit Hörschädigungen, verständlich waren und vor allem auch offene Fragen beantwortet wurden. In medizinischer Hinsicht haben die Conterganbetroffenen Wichtiges für ihre gesundheitliche weitere Entwicklung erfahren. In sozialwissenschaftlicher Hinsicht konnte festgestellt werden, wie es den Geschädigten heute geht und was noch verbesserungswürdig ist. Bezüglich der Historie und rechtlicher Fragen konnten die Hintergründe und Forschungsergebnisse vermittelt werden.
Wir werden die Inhalte nicht nur mittels unserer Homepage weitertragen, sondern auch in unsere politischen und medialen Diskurse einfließen lassen.
Weiterführende Links:
Zur Veranstaltungseinladung: https://www.contergannetzwerk.de/index.php/component/k2/item/297-contergan-symposium-am-1632024-in-stuttgart.html
Trailer zur Veranstaltung: https://contergannetzwerk.de/images/videos/SymposiumTrailer.mp4
Dia-Show zur Veranstaltung: https://contergannetzwerk.de/images/videos/Dia-Show-Syposium.mp4
Links zu vorhandenen Videos zu Vorträgen kompakt:
Grußwort: Stellvertretender Ministerpräsident und Minister des Inneren, Digitales und für Kommunen, Thomas Strobl: https://contergannetzwerk.de/images/videos/Thomas_Strobl.mp4
Recht: Prof. Dr. Stefan Geibel: https://contergannetzwerk.de/images/videos/Prof-Geibel.mp4.
Gesundheit: Prof. Klaus Peters:https://contergannetzwerk.de/images/videos/Prof-Peters.mp4.
Wir danken allen Helfern und bezüglich der Veranstaltung Engagierten für ihren Einsatz für diese erfolgreiche und schöne Veranstaltung.
Insbesondere danken wir der
dafür, dass sie mit ihrer wesentlichen Finanzierung die Veranstaltung erst ermöglichte.