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Contergan – der Skandal setzt sich fort!

 

Contergan, mit dem Wirkstoff Thalidomid, wurde im Oktober 1957 von der Firma Grünenthal auf den deutschen Markt gebracht. Grünenthal hat überdies verschiedene entsprechende Lizenzen an ausländische Hersteller vergeben. Von „Contergan“ wurden weltweit ca. 10.000 Embryonen geschädigt. Hiervon waren in Deutschland ca. 7.000 Kinder betroffen, von denen heute noch ca. 2700 Personen leben. Indessen sind die Betroffenen Mitte 50 und leben großteils ohne Arme und/oder ohne Beine oder mit weiteren wesentlichen Behinderungen.

Der deutsche Staat hat sich im Conterganskandal zum Mitschädiger gemacht, indem er Contergannicht nur wider besserer Erkenntnis verspätet vom Markt nahm. Als letztes Land im gesamten EWR-Raum musste er durch die Römischen Verträge zum Erlass von Arzneimittelschutzgesetzen  gezwungen werden - vier Gesetzgebungsverfahren sind aufgrund des Einflusses der Pharmaindustrie gescheitert. Der Staat hat sich im Zusammenhang mit der Contergankatastrophe vor und auch hinterher  schützend vor die Pharmaindustrie, respektive Grünenthal, gestellt. Sämtliche Ansprüche der damaligen Contergankinder gegen die Schädigungsfirma Grünenthal wurden mit § 23 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung der Conterganstiftung für behinderte Menschen, welche die Conterganrenten auszahlt, ausdrücklich zum Erlöschen gebracht. Die Conterganopfer, die damit anspruchslos dastanden, wurden auf die Sozialämter verwiesen, die dort dann über 50 Jahre um das Mindeste kämpfen mussten.

Nachdem der Firma Grün­en­thal per Gesetz ihre Ver­­pflich­tungen er­lassen wurden, steht der Staat, nach einem Ur­­teil des Bun­­des­­ver­­fas­­sungs­­­ge­richts (BVerfGE 42,263), selbst in der Pflicht. Dem wurde er aber bis zum Jahre 2013 nicht gerecht:

Con­ter­­gan­­ge­schä­­digte er­hielten bis zum 01.07.2008 je nach Schä­­di­­gungs­­­grad mo­nat­­liche Renten, von höchs­tens 545 Euro. In­­dessen avan­­cierte die Ei­­gen­tü­­mer­fa­­milie von Grün­en­thal zur dreißig reichsten Fa­­milie Deutsch­­lands. die es in den Jahr­­zehnten nach Stif­tungs­­­grün­­dung weder für nötig be­fand, freiwillige Zah­­lungen zu leisten oder sich zu ent­­schul­­digen. Erst der Con­tergan-Fern­­seh­­film  "Eine ein­­zige Ta­blette" im Jahre 2008 löste für die Con­ter­­gan­­ge­schä­­digten eine "kleine Re­vo­lu­tion" und Druck auf die Po­­litik und Grün­en­thal aus. Die Po­­litik "ver­­­dop­­pelte" eilig zum 1.7.2008 die Renten und auch Grün­en­thal er­­brachte eine "Spende" von 50 Mio. Euro.

Wäh­rend hier­nach die Con­ter­g­an­­renten 1127 Euro, wohl­­ge­­merkt: im Höchst­­satz, also im Schä­­di­­gungs­­­grad für Per­­sonen ohne Arme und/oder ohne Beine betrugen, wurden die 50 Mil­­lionen Euro aber nicht aus­­ge­­zahlt, son­­dern, auf Ver­­langen von Grün­en­thal, auf 25 Jahre ver­­­teilt, wo­nach ein Schwer­st­­ge­schä­­digter (z.B. keine Glie­d­­maßen) hiervon um­­ge­rechnet mo­nat­­lich 300 Euro und Per­­sonen ohne Arme oder ohne Beine, mit wei­teren we­­sent­­li­chen Be­hin­­de­rungen, mtl. rd. 191 Euro erhielt. Al­leine die Pfle­­ge­­kosten für eine Person, die weder Arme, noch Beine hat, betrugen, bzw. betragen  rd. 12.000 Euro im Monat.

 

Erst im Jahr 2013 fand ein Paradigmenwechsel in der Behandlung der Geschädigten statt.

Nach über 50 Jahren der Unterversorgung der Geschädigten wurden erstmals Renten zuerkannt, womit die Geschädigten weitgehend ein selbstbestimmtes Leben zu führen in der Lage sind.  Abgeordnete haben sich im Gesetzgebungsverfahren entschuldigt. Diese Anerkennung war den Geschädigten wichtig, da ihnen hierdurch ermöglicht wurde, zu einem inneren Frieden mit dem Staat zu finden.

 

Allerdings bleiben einige Vielzahl von Problemen ungeklärt: Zum Beispiel ist die Versorgung der Personen, die sich jahrzehntelang aufopferungsvoll  um die Geschädigten gekümmert haben, ungesichert. Während selbst im Sozialen Entschädigungsrecht, zum Beispiel für Opfer von Gewalttaten (OEG), Zivildienstleistende (ZDG) und Soldaten (SVG), überdies auch für die HIV-Infizierten (HIVHG)  eine Hinterbliebenenversorgung vorgesehen ist, so drohen die Personen, die  jahrzehntelang (für die Verpflichtungen des Staates), teilweise rund um die Uhr, Conterganofer gepflegt haben, oft auch keine Rentenansprüche aufbauen konnten, im Falle des Versterbens der Geschädigten, völlig unversorgt zurückzubleiben.

 

Tragisch ist es für die Geschädigten, dass die Ministerialbürokratie den mit dem 3. Conterganstiftungsänderungsgesetz eingeleiteten Paradigmenwechsel des Gesetzgebers nicht nachvollzogen hat.

Nach wie vor werden die Geschädigten nicht „auf Augenhöhe“ behandelt, wie es den ursprünglichen Übereinkünften gerecht würde:

Zur Verwaltung der für die Conterganopfer zur Verfügung gestellten Geldmittel, wurde die Conterganstiftung gegründet. Hierbei wurde angesichts der staatlichen Mitschuld bewusst darauf verzichtet, diese Leistungsverwaltung allgemeinen Ämtern (zum Beispiel Sozial- oder Versorgungsämtern) zuzuweisen. Vielmehr wurde die Stiftung - als Schnittstelle zwischen Staat und den Geschädigten – etabliert.

In diesem Gesamtpaket der Vereinbarungen zur Stiftungslösung (Enteignung mit § 23 Abs. 1 Errichtungsgesetz, Einzahlung der 100 Millionen Euro der damaligen Contergankinder, die Grünenthal bereits geleistet hatte) war gleichsam das Versprechen enthalten, das die Geschädigten adäquat am Stiftungsgeschehen beteiligt werden.

Diese Vereinbarungen werden bis heute nicht erfüllt!

 

So werden die Betroffenen im Stiftungsgeschehen nach wie vor durch die Ministerialbürokratie dominiert Im Stiftungsrat der Stiftung sitzen drei Ministerialvertreter zwei Betroffenenvertretern gegenüber. Das wird rigoros ausgenutzt.

Die Strukturen, der im Kindesalter der Geschädigten, Anfang der 1970er Jahre gegründeten Stiftung bedürfen einer dringenden Demokratisierung und zwar in einer Weise, die nicht nur den Umgang mit den Geschädigten in der Vergangenheit ausreichend reflektiert, nämlich einen Umgang "auf Augenhöhe" sicherstellt, sondern selbstverständlich auch der unter dem Leitsatz zusammengefassten modernen Behindertenpolitik Rechnung trägt:

„Nichts ohne uns über uns!“

 

 

Unsere Forderung gegenüber Grünenthal

Wenn der deutsche Staat durch die Leistungserhöhungem  für die Zukunft seinen Pflichten aus der Haftungsübernahme nachkommt, so bleibt die Frage eines angemessenen Schmerzensgeldes, insbesondere unter Berücksichtigung des 50jährigen Leids, ungeklärt.

Hier sehen wir Grünenthal deutlich in der Pflicht!

 

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