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Erklärung zur Abstimmung am 13.12.2012 im Bundestag zum TOP 47h
Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses - Sammelübersicht 502 zu Petitionen, Drucksache 17/11682, Petition 3-17-30-21302-010174
Die Mehrheit des Petitionsausschusses empfiehlt uns, das Petitionsverfahren zur Petition einer contergangeschädigten Frau aus Ratingen vom Mai 2010, Petition 3-17-30-21302-010174, abzuschließen. Dieser Empfehlung werde ich nicht folgen und ich möchte nachfolgend begründen, warum ich dagegen stimme.
Die Petentin aus Ratingen bittet aufgrund ihrer Conterganschädigung um den Erlaß eines Teils der Rückzahlung des ihr nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaföG) gewährten Darlehens und hieraus entstandener Zinsen. Im Leben der Petentin gibt es, folgt man ihrer von niemanden bestrittenen Darstellung, eine Reihe von unglücklichen Ereignissen und Situationen. So etwas , so meine ich, kann im Leben vorkommen.
Die Conterganschädigung bei der Petentin ist – nicht durch ihr Verschulden - erst nach dem 20. Lebensjahr anerkannt worden. Obwohl die Petentin wie alle anderen Conterganopfer von Geburt an contergangeschädigt ist, bekam sie die „Conterganrente“ nicht ab 1972, sondern erst ab 1984. Eine Nachzahlung für die zurückliegenden 12 Jahre erfolgte nicht, erst recht keine Verzinsung (was aus Sicht der LINKEN nicht akzeptabel ist).
In Folge der Behinderung mußte sie länger studieren. Dadurch war sie von der damaligen (behindertenfeindlichen) Umstellung der Ausbildungsförderung auf eine Darlehensleistung besonders betroffen. Die Folge: Rund 20.000 Euro Bafög-Schulden und fehlende Möglichkeiten, diese Schulden durch Rückzahlung in einer Summe deutlich zu reduzieren.
In diesem Fall entstand also aus der Kette von unglücklichen Ereignissen und vielen „kleineren“ Ungerechtigkeiten eine gravierende Ungerechtigkeit. Inzwischen hinterläßt die Conterganschädigung auch bei der Petentin deutliche Spuren. Eine Folge: Die Petentin erhält , verbunden mit spürbaren Einkommensverlusten, eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Spätestens seit Vorliegen des Zwischenberichtes des Heidelberger Instituts wissen die Bundesregierung und alle Fraktionen des Bundestages, wie dramatisch die Situation der Conterganopfer und ihrer Angehörigen ist, wie schwer es ihnen fällt, sich mit dem verfügbaren Einkommen ein Mindestmaß an selbstbestimmten Leben zu erhalten. Und nun kommt bei dieser Petentin neben den laufenden Kosten noch immer die Belastung durch die Rückzahlungsforderungen aus dem Bafög-Darlehen zuzüglich Zinsen hinzu. Und das auch noch für viele Jahre.
Hier hätte, so die Auffassung der LINKEN, die Bundesregierung die Möglichkeit und auch die Pflicht, die noch offenen Forderungen aus dem Bafög-Darlehen zu erlassen. Statt dessen folgte die Mehrheit des Petitionsausschusses der teilweise abstrusen Stellungnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. So steht in der Stellungnahme des Ministeriums vom 22. Mai 2012, daß die Petentin über „eine Ferienimmobilie sowie weitere Geldreserven“ verfügt. Wie die Bundesregierung zu dieser Behauptung kommt, bleibt ihr Geheimnis. Die Petentin jedenfalls weiß – so ihre Aussage mir gegenüber – nicht, daß sie solche Besitztümer hätte.
Auch die Stellungnahme des Bundesbehindertenbeauftragten ist aus meiner Sicht gelinde gesagt enttäuschend. Selbst für ihn ist es nachvollziehbar, „wenn die Petentin die Situation, die durch die verspätete Feststellung der Conterganschädigung und die BAföG Bestimmungen zum Zeitpunkt ihres Studiums entstanden ist, für sich als unbefriedigend empfindet.“ Dann führt der Bundesbehindertenbeauftragte in seiner Stellungnahme aus: „Gleichwohl ist zu berücksichtigen, daß die ungünstigen Rückzahlungsbedingungen für BAföG Leistungen, die während des Studiums der Petentin galten, für alle Studierenden zu der damaligen Zeit angewandt wurden.“ Weil es also damals eine Bafög-Regelung gab, die nicht nur die Petentin, sondern viele Studentinnen und Studenten mit Behinderungen diskriminierte und benachteiligte, muß man also auch in diesem Fall keine Härtefallregelung treffen. Unrecht für alle als Begründung fürs Nichtstun für Einzelne. Unglaublich!
DIE LINKE beantragte, diese „Petition der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen“ (so heißt es in der Beamtensprache), also ihr nahe zu legen, auf Grund der besonderen Härte einen Härteerlaß zu gewähren. Das wäre auch aus meiner Sicht im Ergebnis der Prüfung der Petitionsunterlagen und der persönlichen Gespräche mit der Petentin sowohl aus rechtlicher, als auch aus humanitärer Sicht geboten. Deswegen stimme ich gegen die Beschlußempfehlung und fordere die Bundesregierung noch einmal sehr nachdrücklich auf, in diesem Fall endlich eine sachgerechte Entscheidung zu treffen.