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Einnahmen aus Contergan-Rente dürfen nicht zu Kindergeldverlust führen!
Neustadt/Weinstraße (jur). Erhalten erwachsene behinderte Conterganopfer eine Rente der Conterganstiftung, dürfen diese Einnahmen nicht zur Streichung des Kindergeldes führen. Denn die Conterganrente dient nicht der Bestreitung des Lebensunterhaltes, sondern wird vorwiegend aus „Entschädigungsgründen“ gezahlt, entschied das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in Neustadt an der Weinstraße in einem am 4. Januar 2017 veröffentlichten Urteil (Az.: 12 K 2756/16). Eine Berücksichtigung beim Kindergeld scheide dann aber aus.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen können erwachsene behinderte Kinder theoretisch bis zu ihrem Tode noch Kindergeld erhalten, vorausgesetzt, sie können sich behinderungsbedingt nicht selbst unterhalten. Es dürfen dabei keine weitere Einkünfte oder Vermögen vorliegen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Außerdem muss die Behinderung vor dem 25. Lebensjahr, nach altem Recht vor dem 27. Lebensjahr eingetreten sein.
Im jetzt entschiedenen Fall ging es um eine Frau, die im Zuge des sogenannten Contergan-Skandals mit ihrer Geburt eine schwere Behinderung erlitten hatte. Die Firma Grünenthal hatte von 1957 bis 1961 zunächst rezeptfrei das Beruhigungs- und Schlafmittel Contergan auch an schwangere Frauen verkauft. Weltweit kamen daraufhin mehrere Tausend Kinder mit Fehlbildungen ihrer Gliedmaßen und auch an ihren inneren Organen zu Welt.
Die Opfer werden in Deutschland durch die „Conterganstiftung für behinderte Menschen“ entschädigt. Persönliche Haftungsansprüche gegen die Firma Grünenthal können sie im Gegenzug nicht mehr geltend machen.
So erhielt im aktuellen Rechtsstreit auch die Contergan geschädigte Frau eine Conterganrente, zuletzt 7.027 Euro monatlich. Hinzu kam eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 3.580 Euro. Wegen ihrer Behinderung zu 100 Prozent muss sie in einem Pflegewohnheim betreut werden.
Da ihr Vater nur einen geringen Unterhaltsbeitrag zahlen kann, kommt die Sozialhilfe für sämtliche Kosten auf. Der überörtliche Sozialhilfeträger beansprucht daher einen Teil des Kindergeldes für sich.
Die Kindergeldkasse hatte jedoch die Zahlung des Kindergeldes gestoppt. Für die behinderte Frau könne zwar grundsätzlich Kindergeld gezahlt werden. Mit der Conterganrente verfüge sie jedoch über so hohe Einnahmen, dass sie davon ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten könne, so die Behörde.
Der Sozialhilfeträger führte dagegen an, dass die stationäre Betreuung der Frau seit Januar 2015 monatlich durchschnittlich 9.000 Euro koste. Nach dem Sinn der gesetzlichen Bestimmungen dürfe die Conterganrente beim Kindergeld nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Die Rente diene nicht vorwiegend dem Lebensunterhalt, sondern habe einen Entschädigungscharakter. Damit sollten behinderungsbedingte Mehraufwendungen ausgeglichen werden.
Dem folgte auch das Finanzgericht in seinem Urteil vom 9. November 2016. Der Bundesfinanzhof habe bereits am 13. April 2016 geurteilt, dass wegen einer Schmerzensgeldrente das Kindergeld nicht verweigert werden dürfe (Az.: III R 28/15, JurAgentur-Meldung vom 22. Juni 2016).
Nach den gesetzlichen Bestimmungen dürften bei der Prüfung des Kindergeldanspruchs nur solche Einkünfte berücksichtigt werden, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind. Eine Schmerzensgeldrente diene aber nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts, sondern stelle ein Ausgleich für erlittene „Schäden und Lebenshemmungen“ dar. Gleiches müsse auch für die Conterganrente mit ihrem Entschädigungscharakter gelten, so das Finanzgericht.