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THEMA: Zunahme von Tierversuchen durch Contergan-Skandal

Zunahme von Tierversuchen durch Contergan-Skandal 31 Jan 2018 09:43 #44756

  • susannelothar
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Zunahme von Tierversuchen durch Contergan-Skandal 31 Jan 2018 09:45 #44757

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Frankfurt, DüsseldorfDen Aktionären der Bayer AG bot sich vor dem Hauptversammlungsgebäude der Kölner Messe ein erschreckendes Bild: Halbnackt und mit Kunstblut besprüht lag dort eine Frau, sie hatte sich Hasenohren und Stummelschwanz angesteckt. Es war ein drastischer Protest gegen Tierversuche, wie sie auch der Leverkusener Chemie- und Pharmakonzern macht. Die Tierschutzorganisation Peta versuchte 2012 mit diesem besonders öffentlichkeitswirksamen Auftritt, ihre Entrüstung zu demonstrieren.

Die Proteste gegen Tierversuche sind seit Jahren laut und schrill – und sie haben teilweise Erfolg: Die EU etwa hat Kosmetikherstellern komplett verboten, ihre Inhaltsstoffe an Tieren zu testen. Und dennoch sind Tierversuche in der Wirtschaft und Wissenschaft weit verbreitet und in vielen Bereichen nach wie vor unabdingbar. Der Grund: Sie sind vielfach vom Gesetzgeber sogar vorgeschrieben.

So wurden nach Daten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Jahr 2016 insgesamt 2,85 Millionen Tiere in Versuchen eingesetzt. Das entspricht einem leichten Zuwachs von etwa zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. In den Zahlen enthalten sind auch 665.000 Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke getötet wurden, etwa um Zelllinien in der Pharmaforschung zu gewinnen.

Tierversuche: Wirtschaft braucht Moral
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Bei mehr als 80 Prozent aller eingesetzten Versuchstiere handelt es sich um Mäuse oder Ratten. Knapp elf Prozent der Versuche werden mit Fischen durchgeführt, nur rund ein Prozent mit Nutztieren und 0,06 Prozent mit Affen. Letztere kommen nur dann zum Einsatz, wenn eine besonders hohe Vergleichbarkeit zum Menschen benötigt wird. Versuche an Menschenaffen sind aber in der EU seit 2010 komplett verboten.



Von den Versuchstieren, die nicht direkt getötet werden, werden nach Daten des BMEL rund 53 Prozent in der Grundlagenforschung eingesetzt und dabei überwiegend in der medizinischen Forschung. Alleine eine Viertel Million Tests wird etwa im Bereich der Immunologieforschung gemacht. Weitere 14 Prozent ordnet das Ministerium der angewandten Forschung zu. Auch hier dominiert die Arzneimittelforschung, an erster Stelle steht die Entwicklung neuer Krebsmedikamente.

Gut ein Viertel aller Versuchstiere wird von den Unternehmen benötigt, um regulatorischen Anforderungen nachzukommen. Dazu zählt etwa die Qualitätskontrolle von Medizinprodukten oder gesetzlich vorgeschriebene toxikologische Prüfungen von Chemikalien.

Eine ganze Reihe gesetzlicher Regelungen schreiben Tierversuche ausdrücklich vor. Dazu gehören etwa das Arzneimittelgesetz, das Chemikaliengesetz, das Gentechnikgesetz oder Verordnungen zu Medizinprodukten und Pflanzenschutzmitteln.


Bei der Bayer AG entfallen etwa 90 Prozent aller internen Tierversuche auf Vorgaben der Gesetzgeber. Im Jahr 2016 hat der Konzern weltweit rund 125.000 Tiere bei seiner Forschung eingesetzt, nicht nur bei der Entwicklung von Medikamenten, sondern auch von Pflanzenschutzmitteln ist dies vorgeschrieben. Bayer weist darauf hin, dass diese Zahl im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent gesunken ist.

Vor allem die Pharmaforschung ist aber nach wie vor ohne Tierversuche kaum denkbar. „Ein weitgehendes Tierversuchsmoratorium würde den Stopp aller Medikamentenforschung bedeuten“, warnt Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller (VfA).

Viele Krankheiten und potenzielle Wirkstoffe werden in aller Regel noch immer zunächst am Tiermodell untersucht. Dabei handelt es sich heute meist um genetisch modifizierte Mäuse oder Ratten, bei denen möglichst genau eine menschliche Krankheit nachgeahmt wird. Dazu werden bei den Versuchstieren etwa bestimmte Gene ausgeschaltet oder auch menschliche Tumorzellen injiziert.

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Auch mit Blick auf mögliche Sicherheitsrisiken von neuartigen Pharmawirkstoffen gelten Tierversuche als praktisch unerlässlich. Vielfach sind sogar Versuche an mehreren Tierarten vorgeschrieben, bevor ein neues Arzneimolekül erstmals an Menschen getestet werden kann.

Tierschützer kritisieren die Argumentation der Pharmaforscher. „Tierversuche halten oft nicht das, was sich die Wissenschaft von ihnen verspricht“, heißt es beim Deutschen Tierschutzbund. Der Verband verweist darauf, dass Arzneien wegen Nebenwirkungen beim Menschen zurückgerufen werden, die sich in Tests an Tieren nicht gezeigt hätten.

Alternative Verfahren zur Untersuchung von Pharmawirkstoffen sind von den Regulierungsbehörden bis heute kaum zugelassen worden. Der Grund: Sie bieten bisher wenig Zuverlässigkeit. Die Hoffnung ruht hier auf Computersimulationen, mit denen toxische Effekte einer Substanz vorhergesagt werden können. Bayer setzt solche Programm bereits ein, gesteht aber ein, dass diese Simulationen Tierversuche noch nicht vollständig ersetzen können.

Ausgangspunkt für die Zunahme von Tierversuchen in Deutschland war der Contergan-Skandal Ende der 1950er-Jahre. In dessen Gefolge wurden die Vorschriften für die Prüfung und Zulassung neuer Medikamente deutlich verschärft. Die zu Fehlbildungen bei Embryonen führende Nebenwirkung des Contergan-Wirkstoffs Thalidomid, so stellte sich später heraus, hätte man mit Tierversuchen frühzeitig erkennen können.

Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für Tierversuche sind ausführlich im Tierschutzgesetz geregelt. Es verbietet, „einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerz, Leid oder Schaden zuzufügen“, und fordert für Tierversuche eine wissenschaftliche oder anderweitige Rechtfertigung. Prinzipiell müssen die Behörden solche Tests vorher genehmigen.

In der Kosmetikindustrie sind Tierversuche seit 2013 von der EU verboten worden. Wenn die Hersteller außerhalb Europas solche Tests vornehmen, gilt in der EU ein Verkaufsverbot. Nur wenige Länder sind dem Vorbild der EU bisher gefolgt. In China sind Tierversuche bei der Zulassung neuer Kosmetika sogar weiterhin vorgeschrieben.

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