Umgang der Bundesregierung mit dem Conterganskandal bleibt skandalös
Die Bundesregierung hat nach eigener Aussage keine Kenntnisse über die Lebenssituation der Contergangeschädigten und ihrer Angehörigen, behauptet aber gleichzeitig auf die Frage, inwieweit die geleisteten Hilfen für ein selbstbestimmtes Leben reichen, dass diese Hilfen ausreichend seien und die geltenden Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention erfüllen. Das ist an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten – so Ilja Seifert, behindertenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der LINKEN „Der Conterganskandal – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“, Drucksache 17/2915 (siehe u.a. Fragen 13, 14, 27, 28, 31-33).
Auch die Aussage: „Die geltenden gesetzlichen Regelungen ermöglichen grundsätzlich eine bedarfsgerechte Versorgung contergangeschädigter Menschen insbesondere mit Heil- und Hilfsmitteln.“ geht am realen Leben der Betroffenen vorbei.
In der Antwort bestätigt die Bundesregierung, dass sie nur unzureichende Kenntnisse über die Geschichte des Conterganskandals hat und auch nicht interessiert ist, das notwenige Wissen über den größten Arzneimittelskandal in der Geschichte der Bundesrepublik zu erlangen. Sie „hat keine entsprechenden Auskünfte von der Firma Grünenthal GmBH erbeten oder erhalten“ (Frage 5) und „selbst keine diesbezüglichen Untersuchungen geführt oder in Auftrag gegeben“ (Frage 6).
Auch in der Frage des Vertriebs läßt sich die Bundesregierung von Grünenthal auf der Nase herum tanzen (Fragen 1-3), obwohl dies für die auch in anderen Ländern von Contergan Geschädigten von größer Bedeutung war und ist.
Laut Bundesregierung zahlte der Bund bisher für die Folgen des Conterganskandals über 322 Mio. Euro, während die Verursacherfirma Grünenthal lediglich ca. 101 Mio. Euro beisteuerte und sich davon sicher noch ein nicht unerheblichen Anteil durch Steuererstattungen zurück holte. Unverständlich – so Seifert – dass die Familie Wirtz als Inhaber von Grünenthal mit geschätzten 3. 450 Mio. Euro Vermögen weiterhin mit Samthandschuhen durch die Bundesregierung behandelt wird, während ihre Opfer bis heute auf eine offizielle Entschuldigung und eine angemessene Entschädigung warten.
Fehlerhafte Zahlen (siehe Fragen 10, 11, 30) und Unwissenheit auch bei weiteren Fragen ergänzen das Bild über die Ernsthaftigkeit, mit der sich die Bundesregierung der Beantwortung der Anfragen widmete.