Contergan oder die Macht der Arzneimittelkonzerne

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Am 12.April 1967 übergab der Staatsanwalt beim Landgericht Aachen, Josef Havertz, den Verantwortlichen der Firma Chemie Grünenthal seine 972seitige Anklageschrift. Sie stützte sich auf ungefähr 70000Seiten Schriftgut. Seit Ende 1961 hatte Staatsanwalt Havertz zwei Jahre lang allein an dieser umfangreichen Aufgabe gearbeitet; später wurde er jedoch von zwei weiteren Staatsanwälten und sieben Kriminalbeamten unterstützt. In fünf Jahren wurden im längsten Gerichtsverfahren Europas seit den Nürnberger Prozessen etwa 1200 Zeugen vernommen. Ein großer Teil des Materials, das der Staatsanwalt vorlegte, beruht auf umfassenden Berichten der angeklagten Firma selbst. Als die strafrechtliche Ermittlung eingeleitet wurde, beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft die Akten
der Firma Grünenthal. Nachdem das gesamte Material gesammelt und von der Polizei in das Landgericht Aachen gebracht worden war, erhielt Dr. Havertz einen anonymen Telefonanruf, in dem ihm mitgeteilt wurde, es gäbe in den Grünenthal-Büros in Stolberg noch viel mehr Unterlagen über
Thalidomid. Havertz erhielt Hinweise, wo die Polizei suchen sollte. Mit guten Ergebnissen wurde eine zweite Durchsuchung vorgenommen. In einem anonymen Telefonanruf teilte die gleiche Person Havertz mit, wo man noch mehr Dokumente finden könnte: es sollte im Bunker gesucht werden. Die
Polizeibehörde hatte keine Ahnung von der Existenz irgendeines Bunkers auf dem Betriebsgelände der Firma. Die Beamten nutzten eine Gelegenheit und baten einen älteren Mitarbeiter von Grünenthal um den Schlüssel für den Bunker. Überrascht gab ihn der Vertreter der Firma heraus und führte den Staatsanwalt und die Polizei zu einem großen Fabrikschornstein, unter dem ein gut getarnter Bunker versteckt war. Dieser war in ein Archiv umgewandelt worden, in dem zahlreiche Dokumente wohlgeordnet aufbewahrt wurden.