Verfassungsbeschwerde: „Es geht um ein selbstbestimmtes Leben“
Eine aus elf Mitgliedern bestehende Arbeitsgemeinschaft des bundesweit tätigen Vereins Contergannetzwerk – darunter Sabine Koch aus Pyrbaum im Landkreis Neumarkt – hat Ende Juni eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Darin rügen die Initiatoren, an der Spitze Vorsitzender Christian Stürmer aus Ostfildern bei Stuttgart, dass der Staat gegenüber den Opfern seinen Pflichten nicht nachkomme und ihre Versorgung nur unzureichend erfülle.
Deutsche Contergangeschädigte erhalten laut Stürmer Renten zwischen 252 und 1116 Euro pro Monat – „die geringsten Entschädigungsleistungen“ aller Länder, die der von der Stolberger Firma Grünenthal ausgelöste Contergan-Skandal einst betroffen habe.
Durch den gesetzlichen Ausschluss im Contergan-Stiftungsgesetz hätten die Geschädigten wesentlich geringere Ansprüche als andere Arzneimittelgeschädigte.
Die meisten Opfer, rund 2650 leben noch, leiden nach seiner Darstellung unter Spät-und Folgeschäden. Viele seien pflegebedürftig. Durch geringe Arbeitszeiten hätten sie niedrige Rentenansprüche und seien oft auf HartzIV angewiesen.
Vor diesem Hintergrund müsse der Staat seinen Pflichten nachkommen, die nicht nur aus der Übernahme der Haftung von Grünenthal resultierten, sondern auch aus eigener Schuld, sagt Stürmer.
Die Bundesrepublik habe es damals unterlassen, ein angemessenes Arzneimittelgesetz zu erlassen. Stürmer: „Wenn der Staat solches Leid zufügt, muss er auch dafür einstehen.“
Es gehe gar nicht um das Geld, sondern um eine gerechte Entschädigung sowie ein selbstbestimmtes Leben, erläutert Sabine Koch die Verfassungsbeschwerde.
„Wenn weitergehende Forderungen von Geschädigten aufrechterhalten werden, ist das ihr gutes Recht und auch nachvollziehbar“, äußerte Hanno Schäfer, Sprecher des Bundesfamilienministeriums, auf Nachfrage der MZ Verständnis.
Allerdings habe in den vergangenen zwei Jahren einiges zur Verbesserung der Lage der Opfer erreicht werden können.
Dazu gehörten die Verdoppelung der Renten zum 1. Juli vergangenen Jahres und die Bereitschaft von Grünenthal, freiwillig 50 Millionen Euro über die Conterganstiftung zur Verfügung zu stellen.
Auch wenn die Chancen für eine zeitnahe Realisierung gering einzuschätzen seien, teilte Schäfer mit, seien weitere finanzielle Verbesserungen für Contergangeschädigte nicht dauerhaft ausgeschlossen.
Grünenthal, teilte Sprecherin Kira Goertz auf MZ-Anfrage mit, sei sich der moralischen Verantwortung für die Tragödie bewusst und habe entsprechende Taten folgen lassen.
Harald F. Stock, Vorsitzender der Geschäftsführung, wolle „keinen wie auch immer gearteten Schlussstrich ziehen, sondern den Weg des konstruktiven Dialogs weitergehen“. (bf)
Quelle:
http://www.mittelbayerische.de/index.cf ... &pk=436891
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