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Nacht außen

 Rückblick: Contergan-Symposium 16.03.2024

in Stuttgart-Bad Cannstatt

Wir danken allen Gästen des Symosiums für ihr zahlreiches Erscheinen. 

Die gehaltenen Reden, waren fantastisch und haben unsere Sache vorangebracht - vielen herzlichen Dank an die tollen Referenten! Die entsprechenden Videos werden hier nach und nach, aber auch Fotos zur Veranstaltung, eingestellt. Im Unterhaltungsteil der Veranstaltung haben die Theatergruppe "Bühnenreif Saar" und die Band "n*cognito" und auch Lilli Eben mit einer Bilderausstellung für viel Freude gesorgt. Auch an alle Künstlerinnen und Künstler ein großes Dankeschön!

Auch danke ich meinen Mitstreitern, die geholfen haben - hierunter ganz besonders meinen langjährigen Mitkämpferinnen und Mitkämpfern, so Nancy Roski, Martina Geburzi, Iris Marianne Cygan (mit ihrem netten Freund Stefan), Lilli Eben, Werner Wittpoth und Torsten Schwarz. Ein großartiges Team! Danke für Eure Unterstützung! Wir haben viel bewegt und werden es weiter tun! Hervorzuheben ist auch das Helferinnen- und Helferteam, die ein herausragendes und liebevolles Engagement gezeigt haben. Auch an jede(n) dieser Gruppe ein herzlches Danke!

Euer Christian Stürmer

 

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Tom

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Aus­gren­zung in Per­fek­tion – deut­sche Gründ­lich­keit im post­na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­land am Bei­spiel eines schwerst­ge­schä­digten Con­ter­ganop­fers - meine Le­bens­ge­schichte....

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Mitte No­vember des Jahres 1961 er­blickte ich in einem be­schau­li­chen kleinen Ort im Um­raum von Bremen das Licht der Welt.


Es hätte schön werden können, denn von meiner Grund­hal­tung war ich le­bens­lustig und mit großer Be­reit­schaft zur Freude an­ge­legt – hätte meine Mutter als sie mich austrug nicht eine Ta­blette ein­ge­nommen: süß und harmlos wie Zucker, hieß es in der Wer­bung. Con­tergan! Und wäre das zu einer Zeit ge­schehen, in der das Denken vom Na­tio­nal­so­zia­lismus be­reits be­freit ge­wesen wäre. So wurde ich auf­grund staat­li­chen Fehl­ver­hal­tens und wegen der Ma­chen­schaften des phar­ma­zeu­ti­schen Un­ter­neh­mens Grün­en­thal als Schwerst­ge­schä­digter ge­boren, um so­dann ein ge­sell­schaft­li­ches Spieß­ru­ten­laufen bis hin zu meiner psy­chi­schen und phy­si­schen Ver­nich­tung durch­zu­ma­chen.

Aber fangen wir von vorne an:

Meine Be­hin­de­rung ist um­fas­send. Mit einem Scha­den­s­punk­te­wert vom 91,26 von 100 Punkten sind bei mir beide Nieren nach unten ver­schoben. Ich habe eine Au­gen­mus­kel­läh­mung, Ver­lust beider Oh­ren­mu­scheln und eine dop­pel­sei­tige, prak­tisch der Taub­heit gleich­kom­mende Schwer­hö­rig­keit, über­dies eine Gau­men­se­gel­läh­mung und eine schwere ent­stel­lende Läh­mung der Ge­sichts­nerven.

Be­hin­derte Kinder zu be­kommen war da­mals pein­lich. Es hätte ja je­mand auf einen ge­ne­ti­schen De­fekt der El­tern schließen können. So wurde das dem be­hin­derten Kind wi­der­fah­rene Leid oft nicht mit Liebe kom­pen­siert, son­dern teil­weise mit Aus­gren­zung rea­giert.

Seit meiner Ge­burt haben sich meine ei­genen El­tern kaum um mich ge­küm­mert, und wenn dann wurde ich nur miss­han­delt. Meine El­tern standen der Si­tua­tion „ge­de­mü­tigt“ - Angst vor ge­sell­schaft­li­cher Aus­gren­zung ha­bend – ge­gen­über. Eine Art Hass ent­wi­ckelte sich gegen mich. Mein Vater pflegte mich sehr oft mit einem Rohr­stock so­lange zu ver­prü­geln bis ich Striemen hatte.
Man traute sich mit mir quasi über­haupt nicht vor die Türe. Manchmal brachte mich sogar meine Oma, mein Opa oder meine Tante zum Schul­kin­der­garten bzw. zur Schule.

Wäh­rend der Schul­zeit in Bremen, hat die Klas­sen­leh­rerin mich kaum be­achtet und sich kaum um mich ge­küm­mert. Ge­rade wegen meiner Sprach­stö­rung, ein­her­ge­hend mit meinen Ent­stel­lungen, galt ich auch in der Schule als so ab­norm, dass man mit mir oft nichts zu tun haben wollte.

Schuld von Kon­flikten mit an­deren Kin­dern wurde meis­tens mir zu­ge­schoben. So ist einmal ein Mit­schüler hin­ge­fallen hat sich schmutzig ge­macht. Die Leh­rerin fragte nach dem Grund. Der Mit­schüler gab als Ant­wort, ich hätte Schuld  Als Strafe musste ich eine Straf­ar­beit schreiben. Durch meine Sprach­be­hin­de­rung konnte ich mich nicht er­klären. Ich habe ins­be­son­dere durch meine Sprach­stö­rung immer stig­ma­ti­sie­rende Pro­bleme ge­habt.

Die Si­tua­tion gip­felte darin, dass die Klas­sen­leh­rerin im Jahr 1970 einen An­trag ge­stellt hat, mich ständig in die Psych­ia­trie ein­zu­weisen, weil ich an­geb­lich schwer er­ziehbar und ag­gressiv sei. So­dann musste ich die ge­samten Som­mer­fe­rien 1970 zur Un­ter­su­chung in der Psych­ia­tri­schen Ab­tei­lung in Bremen-Os­ter­holz ver­bringen. Der Be­fund war, dass ich bei ver­nünf­tiger För­de­rung ein gutes Ent­wick­lungs­po­ten­tial habe.

Nach den Som­mer­fe­rien im Jahr 1970 kann ich auf ein Schulin­ternat für Hör­ge­schä­digte. Es hat bei mir sehr lange ge­dauert, um we­nigs­tens halb­wegs in ein in­neres Gleich­ge­wicht zu kommen, was durch den räum­li­chen Ab­stand zu meinen El­tern ein­wenig ge­lang. Al­ler­dings fehlte mir die Liebe und Zu­nei­gung, die ein Kind in diesem Alter braucht. Wenn auch meine Groß­el­tern sich in den Fe­rien nach besten Kräften be­mühten, war dies weder El­ter­ner­satz, noch konnten die be­ste­henden Wunden bei mir hier­durch ge­heilt werden. Man lebte mit an­deren Be­hin­derten zu­sammen, weit ab von der ge­sell­schaft­li­chen Nor­ma­lität – am Rande der Ge­sell­schaft. Aus­ge­grenzt!

Trotz allem machte ich den Haupt­schul­ab­schluss, be­suchte die Fach­ober­schule, auf der ich den Re­al­schul­ab­schluss er­reichte und exa­mi­nierte nach ver­schie­denen be­ruf­li­chen Sta­tionen, zum Al­ten­pfleger. Seit dem Jahr 1998 er­halte ich wegen er­heb­lichster Spät- und Fol­ge­schäden, Er­werbs­un­fä­hig­keits­rente.

Meine Mutter, die noch lebt, küm­mert sich bis zum heu­tigen Tag um meine Brüder und um meine Schwester, aber nicht um mich. Wenn früher Ge­burts­tage in der Fa­milie ge­feiert wurden, konnte ich nicht daran teil­nehmen. Ich wurde in mein Zimmer weg­ge­sperrt und die Tür wurde ab­ge­schlossen.

Meine Mutter wohnt heute ca. 15 Mi­nuten von mir ent­fernt wenn ich sie beim Ein­kaufen treffe. dann grüßt sie mich noch nicht einmal. Bei meinen an­deren Ge­schwis­tern ist sie immer da. Bis heute hat sie es nicht ge­schafft, sich mit meiner Be­hin­de­rung ad­äquat aus­ein­ander zu setzen.

Ich bin al­leine. Meine Be­hin­de­rung, ins­be­son­dere mein Aus­sehen, be­ein­träch­tigt mich bei der Part­ner­suche. Ich hätte gerne eine kleine Fa­milie und Kinder.

Der Um­fang der ge­sell­schaft­li­chen Aus­gren­zung ist un­fassbar: In der Schul­zeit wurde ich unter den Hör­ge­schä­digten zwar auf­grund meines Aus­se­hens ge­hän­selt, aber nicht so schlimm wie durch nicht­be­hin­derte Men­schen. In Mün­chen wurde mir mit an­deren Be­hin­der­ten­gruppen der Ein­lass in der Disco wegen der Be­hin­de­rung ver­wei­gert. Ver­mieter scheuen vor einem zu­rück, überall wird man an­ge­st­arrt.

Wie lange das mit nach­las­senden Kräften von mir noch be­wäl­tigbar ist, ist völlig un­klar. Ge­rade vor dem Alter habe ich Angst!

Um we­nigs­tens für später feste Un­ter­kunft zu haben, würde ich mir von einer Ent­schä­di­gung eine kleine Woh­nung kaufen.

Hierfür reicht die Con­ter­g­an­rente, die ich in ihrem Höchst­satz - 545 Euro bis zum 01.07.2008 und nun­mehr 1.116 Euro - be­ziehe, nicht aus.

Letzte Änderung am Sonntag, 22 April 2012 21:41
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