Aufruf an meine Mitgeschädigten Conterganbetroffenen zur Teilnahme an 2 Studien zur Hinterbliebenenversorgung und zur Historie
Liebe Freundinnen und Freunde!
Jetzt gibt es 2 neue Studien zu unserem Thema „Contergan“. Viele werden denken, was das denn wieder, muss das wieder sein. Von Kindertagen an befragt, erforscht, Anträge gestellt – hört das alles denn nie auf. Doch, es wird es!
Was jetzt aber passiert ist nicht irgendwas. Dies sind Ergebnisse langer Auseinandersetzungen.
So ist die Studie zur Hinterbliebenenversorgung etwas, was die Grundlage dafür sein wird, damit die Personen, die sich für den Staat (der nicht nur selbst Schuld trägt, sondern zudem die Haftung von Grünenthal übernommen hat) Verantwortung übernommen haben, bei unserem Ableben nicht im Regen stehen gelassen werden - unsere Angehörigen: Viele haben sich für Conterganbetroffene aufgeopfert, haben sich Jahrzehnte um diese gekümmert, konnten keiner oder nur einer zeitlich geringen Arbeit nachgehen und damit keine Rentenansprüche aufbauen. Verstirbt eine geschädigte Person, droht für Personen, die gepflegt oder assistiert haben, oft die Altersarmut und das geht nicht! Wenn im gesamten Sozialen Entschädigungsrecht Hinterbliebene leistungsberechtigt sind, so muss dies angesichts der massiven Verantwortung gerade bei Contergangeschädigten gelten. Dafür kämpft das Contergannetzwerk Deutschland e.V. seit seinem Bestehen!
Die Studie ist so angelegt, dass das Thema in der kommenden Legislaturperiode automatisch auf die Tagesordnung kommen wird, weil dann die Ergebnisse vorliegen. Und wir haben in Rechtsanwältin Karin Buder, zusammen mit Dr. Ding-Greiner Gewähr dafür, dass das Ergebnis bestmöglichst zu unseren Gunsten ausfallen wird. Ein großes Geschenk! Es gibt zwar technische Anfangsprobleme, was ja nicht schlimm ist, denn die werden kurzfristig gelöst. Ich bitte Euch jedoch in unser aller Sinne – macht mit!! Es ist eine einmalige Chance, auf die wir lange zugearbeitet haben!
Dann gibt es die 2. Studie – die historische Arbeit. Diese wird vom Gerontologischen Institut der Universität Heidelberg, Prof. Kruse, ausgeführt. Auf Betreiben des BMFSFJ hat der Stiftungsrat beschlossen, zum Jubiläum der Stiftung diese historische Studie vorzulegen. Sie soll insbesondere die Stiftung darstellen: Wie kam es zu ihr und wie hat sie sich entwickelt, wie waren die spezifischen Verhältnisse bei Gründung, wie erging es den Eltern, den Angehörigen, was war mit den Geschädigten? Das ist nicht Lapidares! Im Post-Nationalsozialismus behinderte Kinder zu haben, war alles andere als schön: das überhebliche Hirngespinst des "minderwertigen Lebens" war fast noch überall in den Köpfen und im Blut! Eltern haben ihre geschädigten Kinder versteckt, wenn es klingelte, Übergriffe auf geschädigte Menschen waren auch nicht gerade selten, wobei, angesichts dessen, Vorführungen in Unterwäsche oder nackend in Hörsälen noch gering erscheinen. Neben diesen Fragen ist natürlich zu betrachten, wie war das damals mit Grünenthal und dem Staat, was ist verhandelt worden, wie waren die Verwebungen.
Was aber ist in ein paar Jahrzehnten, also dann, wenn keiner mehr von uns lebt? Die Studie kommt! Und wenn wir nicht unseren Beitrag leisten, wird der Conterganskandal immer nur so beschrieben werden können, dass er dem ganzen Leid unserer Mitgeschädigten nicht gerecht wird. Jubelstudien brauchen wir nicht und es ist an uns, dies zu verhindern, indem wir mitwirken! Helft mit, motiviert zudem auch Zeitzeugen, die heute noch leben (Eltern, Onkel, Tanten, etc.) zum Mitmachen! Ich weiß, es ist nicht angenehm, sollte aber möglichst sein!
Es sind also 2 Projekte – Arbeit, ja! Aber alles in unserem und auch im solidarischen Sinne! Es dauert jeweils nicht lange, hilft aber!
Alles Liebe Euch, bleibt gesund und seid herzlich gegrüßt
von Eurem Betroffenenvertreter
Christian Stürmer
Mitglied im Stiftungsrat der Conterganstiftung und
Bundesvorsitzender des Contergannetzwerkes Deutschland e.V.