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Christian Stürmer

Christian Stürmer

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…wir laden ein, mit uns auf dem Weg der Gerechtigkeit zu sein……

 

 

 

 

 

 

 

 

 Bericht zum

Conterganopfer – Requiem

vom 26. November 2011

St. Johannes-Evangelist-Kirche in Berlin

Information,  Andacht & Gerechtigkeitskonzert

   mit:

NINA HAGEN  (Ehrenmitglied Contergannetzwerk Deutschland e.V.)

Afro-Gospelchor  BONA DEUS

Tenor SERGEY DROBYSHEVSKI

SABINE ROTHERMUND & GALINA LAUTERBACH

CORIENTAL – orientalischer Lichtertanz 

am Flügel: Boris Cepeda

 

 

Anlass für die Gedenkveranstaltung war der Contergan–Skandal, der über 10.000 geschädigte Opfer hinter­ließ.

 

Die Marktrücknahme des Medikaments jährte sich 2011 zum 50. Mal. Tausende Tote sind zu beklagen und wir blicken auf 50 Jahre Leid von schwerstgeschädigten Menschen zurück - meist ohne Arme und/oder ohne Beine, manche ohne jegliche Gliedmaßen. Aufgrund der Behinderungen konnten viele der Überlebenden keiner Arbeit nachgehen und verständlich auch, dass sich im zunehmenden Alter durch jahrelange Fehlbelastungen schwere Folgeschäden einstellen! Noch immer kämpfen die ca. 2.800 überlebenden Opfer um angemessene Entschädigung, Anerkennung und Leistungen. Sie fordern ein selbstbestimmtes Leben und die dazu nötige Hilfe.

 

Die Klageschrift des Contergannetzwerk Deutschland ist seit August 2010 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht. Die deutschen staatlichen Instanzen und die Politik haben durchweg versagt: verspätete Rücknahme von Contergan vom Markt / Entscheidung über den Ausschluss der Ansprüche der Opfer gegenüber der Herstellerfirma Grünenthal nach Zahlung einer einmaligen Summe / das Bundesversorg­ungs­gesetz greift nicht für Contergangeschädigte. Erst der Fernsehfilm „Eine einzige Tablette“ (Deutscher Fernsehpreis, Ehrenbambi, Bayer. Filmpreis, ua.) löste im Juli 2008 soviel Empörung und damit Druck auf die Politik aus, dass diese eilig die Renten von monatlich 545 Euro verdoppelte. Die Pflegekosten für eine Person ohne Gliedmaßen betragen aber rund 12.000 Euro im Monat.

 

Wir bedanken uns sehr bei allen ohne Gage teilnehmenden Künstlern, bei allen Sponsoren und Helfern für die grandiose Unterstützung.

 

 

 

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Gospel-ChorIMG_0365

 

Corientel

 

 

Gruppenbild

 

 

Lichtergruppe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach dem Vortrag zu Contergan und dem Vertrieb des Medikamentes durch den Pharmakonzern „Grünenthal“ mit allen Hintergründen und einer Andacht wurde das anschließende Konzert von der Orientalischen Tanzgruppe „Coriental“ mit zwei stimmungsvollen Lichtertänzen eröffnet. Das  Ehrenmitglied Nina Hagen rockte die Bühne und zog wie immer bei ihren Auftritten alle in ihren Bann. Sie sprach über Ungerechtigkeit, Hoffnung und Zusammenhalt, was sie den gesamten Abend auch als Botschaft überbrachte. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Ilja Seifert wurde als weiteres Ehrenmitglied aufgenommen und fand ergreifende Worte. Auch weitere weltbekannte Protagonisten  waren gestern bei diesem Requiem vertreten. Der Welttenor  Sergey Drobyshevskiy (am Flügel von Boris Cepeda begleitet) bei dessen Auftritt ebenfalls der vollbesetzte Saal tobte, der mit 19 Frauen und Männern besetzte Gospelchor „Bona Deus“ ,der eine wundervolle  Stimmung erzeugte und das Publikum zum Mitsingen animierte. Die Sängerinnen Sabine Rothermund und Galina Lauterbach trugen mit ihren Liedern ebenfalls zu diesem  ergreifenden und gelungenen Requiem bei.

Wir wünschen und hoffen, dass wir mit unserer Gedenkveranstaltung auch in den Medien und bei den politischen Parteien wahrgenommen werden !

 

 

 

Ostfildern, den 19.04.2012

 

Contergan – der Skandal setzt sich fort!

 

Wie be­­kannt, wurde zwi­­schen den Jahren 1957-1961 das Schlaf- und Be­ru­hi­­gungs­­­mittel „Con­ter­­gan“ durch die Firma Grün­en­thal ver­­trieben, wo­nach welt­weit in ca. 10.000 Fällen Miss­­bil­­dungen an den im Mut­ter­leib her­an­wach­­senden Em­­bryonen ent­­standen.

Al­leine in Deutsch­­land gibt es 2.800 er­he­b­­lich ge­schä­­digte Über­­le­­bende, hier­unter man­­nig­fache Per­­sonen ohne Arme, ohne Beine, oder ohne jeg­­liche Glie­d­­maßen – oft auch mit wei­teren we­­sent­­li­chen Schäden.

Auf­­grund ihrer Be­hin­­de­rung konnten viele Opfer keiner Ar­­beit nach­­gehen, was auch dazu führte, dass oft keine, oder nur un­­zu­läng­­liche Ren­ten­an­sprüche er­worben wurden. Zudem stellen sich im zu­­neh­­menden Alter schwere Fol­­ge­schäden ein, die durch jah­re­lange Fehl­­be­las­tungen ent­­standen sind.

 

Der Staat hat „Con­ter­­gan“ nicht nur - wider bes­­serer Er­kenntnis – ver­­spätet vom Markt ge­nommen, son­­dern steht – selbst in der Ver­­ant­wor­tung, weil er säm­t­­liche An­sprüche gegen un­­seren Schä­­diger, die Firma Grün­en­thal, mit § 23 Abs. 1 des Er­rich­tungs­­­ge­­setzes über die Stif­tung, welche die Con­ter­g­an­­renten aus­­zahlt, aus­­ge­schlossen hat.

Nachdem der Firma Grün­en­thal per Gesetz ihre Ver­­pflich­tungen er­lassen worden sind braucht Grün­en­thal keinen Cent mehr zu zahlen, wes­halb nach einem Ur­­teil des Bun­­des­­ver­­fas­­sungs­­­ge­richts (BVerfGE 42,263) der Staat selbst in der Pflicht steht

Con­ter­­gan­­ge­schä­­digte er­hielten bis zum 01.07.2008 je nach Schä­­di­­gungs­­­grad mo­nat­­liche Renten, von höchs­tens 545 Euro. In­­dessen avan­­cierte die Ei­­gen­tü­­mer­fa­­milie von Grün­en­thal zur dreißig reichsten Fa­­milie Deutsch­­lands. die es in den Jahr­­zehnten nach Stif­tungs­­­grün­­dung weder für nötig be­fand, freiwillige Zah­­lungen zu leisten oder sich zu ent­­schul­­digen. Erst der Con­tergan-Fern­­seh­­film "Eine ein­­zige Ta­blette" löste für die Con­ter­­gan­­ge­schä­­digten eine "kleine Re­vo­lu­tion" und Druck auf die Po­­litik und Grün­en­thal aus. Die Po­­litik "ver­­­dop­­pelte" eilig zum 1.7.2008 die Renten und auch Grün­en­thal er­­brachte eine "Spende" von 50 Mio. Euro. Wäh­rend hier­nach die Con­ter­g­an­­renten 1127 Euro, wohl­­ge­­merkt: im Höchst­­satz, also im Schä­­di­­gungs­­­grad für Per­­sonen ohne Arme und/oder ohne Beine be­­tragen, werden die 50 Mil­­lionen aber nicht aus­­ge­­zahlt, son­­dern, auf Ver­­langen von Grün­en­thal, auf 25 Jahre ver­­­teilt, wo­nach ein Schwer­st­­ge­schä­­digter (z.B. keine Glie­d­­maßen) hiervon um­­ge­rechnet mo­nat­­lich 300 Euro und Per­­sonen ohne Arme oder ohne Beine, mit wei­teren we­­sent­­li­chen Be­hin­­de­rungen, mtl. rd. 191 Euro er­halten. Al­leine die Pfle­­ge­­kosten für eine Person, die weder Arme, noch Beine hat, be­­trägt rd. 12.000 Euro im Monat.

 

 

Beispiele aus dem Internationalen Vergleich:

 

Die jährlichen Leistungen betragen in Großbritannien an Thalidomidopfer jeweils bis zu 62.318,85 Euro; in Italien jeweils bis zu 49.716,24 Euro. In Irland bekommen die dortigen Geschädigten Renten aus der deutschen Stiftung, die der irische Staat nochmal verdoppelt.


Es muss er­reicht werden, dass die Con­ter­­ganopfer insgesamt eine Ent­schä­­di­­gung er­halten, mit der sie, die be­hin­­de­rungs­­­be­­dingten Be­ein­träch­ti­­gungen aus­glei­chend, ein selbst­­be­­stimmtes Leben zu führen in der Lage sind.

 

 

Contergannetzwerkes Deutschland e.V.

durch: Christian Stürmer

Vorsitzender

Tom

Freigegeben in Vereinr

Aus­gren­zung in Per­fek­tion – deut­sche Gründ­lich­keit im post­na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­land am Bei­spiel eines schwerst­ge­schä­digten Con­ter­ganop­fers - meine Le­bens­ge­schichte....

alt

Mitte No­vember des Jahres 1961 er­blickte ich in einem be­schau­li­chen kleinen Ort im Um­raum von Bremen das Licht der Welt.


Es hätte schön werden können, denn von meiner Grund­hal­tung war ich le­bens­lustig und mit großer Be­reit­schaft zur Freude an­ge­legt – hätte meine Mutter als sie mich austrug nicht eine Ta­blette ein­ge­nommen: süß und harmlos wie Zucker, hieß es in der Wer­bung. Con­tergan! Und wäre das zu einer Zeit ge­schehen, in der das Denken vom Na­tio­nal­so­zia­lismus be­reits be­freit ge­wesen wäre. So wurde ich auf­grund staat­li­chen Fehl­ver­hal­tens und wegen der Ma­chen­schaften des phar­ma­zeu­ti­schen Un­ter­neh­mens Grün­en­thal als Schwerst­ge­schä­digter ge­boren, um so­dann ein ge­sell­schaft­li­ches Spieß­ru­ten­laufen bis hin zu meiner psy­chi­schen und phy­si­schen Ver­nich­tung durch­zu­ma­chen.

Aber fangen wir von vorne an:

Meine Be­hin­de­rung ist um­fas­send. Mit einem Scha­den­s­punk­te­wert vom 91,26 von 100 Punkten sind bei mir beide Nieren nach unten ver­schoben. Ich habe eine Au­gen­mus­kel­läh­mung, Ver­lust beider Oh­ren­mu­scheln und eine dop­pel­sei­tige, prak­tisch der Taub­heit gleich­kom­mende Schwer­hö­rig­keit, über­dies eine Gau­men­se­gel­läh­mung und eine schwere ent­stel­lende Läh­mung der Ge­sichts­nerven.

Be­hin­derte Kinder zu be­kommen war da­mals pein­lich. Es hätte ja je­mand auf einen ge­ne­ti­schen De­fekt der El­tern schließen können. So wurde das dem be­hin­derten Kind wi­der­fah­rene Leid oft nicht mit Liebe kom­pen­siert, son­dern teil­weise mit Aus­gren­zung rea­giert.

Seit meiner Ge­burt haben sich meine ei­genen El­tern kaum um mich ge­küm­mert, und wenn dann wurde ich nur miss­han­delt. Meine El­tern standen der Si­tua­tion „ge­de­mü­tigt“ - Angst vor ge­sell­schaft­li­cher Aus­gren­zung ha­bend – ge­gen­über. Eine Art Hass ent­wi­ckelte sich gegen mich. Mein Vater pflegte mich sehr oft mit einem Rohr­stock so­lange zu ver­prü­geln bis ich Striemen hatte.
Man traute sich mit mir quasi über­haupt nicht vor die Türe. Manchmal brachte mich sogar meine Oma, mein Opa oder meine Tante zum Schul­kin­der­garten bzw. zur Schule.

Wäh­rend der Schul­zeit in Bremen, hat die Klas­sen­leh­rerin mich kaum be­achtet und sich kaum um mich ge­küm­mert. Ge­rade wegen meiner Sprach­stö­rung, ein­her­ge­hend mit meinen Ent­stel­lungen, galt ich auch in der Schule als so ab­norm, dass man mit mir oft nichts zu tun haben wollte.

Schuld von Kon­flikten mit an­deren Kin­dern wurde meis­tens mir zu­ge­schoben. So ist einmal ein Mit­schüler hin­ge­fallen hat sich schmutzig ge­macht. Die Leh­rerin fragte nach dem Grund. Der Mit­schüler gab als Ant­wort, ich hätte Schuld  Als Strafe musste ich eine Straf­ar­beit schreiben. Durch meine Sprach­be­hin­de­rung konnte ich mich nicht er­klären. Ich habe ins­be­son­dere durch meine Sprach­stö­rung immer stig­ma­ti­sie­rende Pro­bleme ge­habt.

Die Si­tua­tion gip­felte darin, dass die Klas­sen­leh­rerin im Jahr 1970 einen An­trag ge­stellt hat, mich ständig in die Psych­ia­trie ein­zu­weisen, weil ich an­geb­lich schwer er­ziehbar und ag­gressiv sei. So­dann musste ich die ge­samten Som­mer­fe­rien 1970 zur Un­ter­su­chung in der Psych­ia­tri­schen Ab­tei­lung in Bremen-Os­ter­holz ver­bringen. Der Be­fund war, dass ich bei ver­nünf­tiger För­de­rung ein gutes Ent­wick­lungs­po­ten­tial habe.

Nach den Som­mer­fe­rien im Jahr 1970 kann ich auf ein Schulin­ternat für Hör­ge­schä­digte. Es hat bei mir sehr lange ge­dauert, um we­nigs­tens halb­wegs in ein in­neres Gleich­ge­wicht zu kommen, was durch den räum­li­chen Ab­stand zu meinen El­tern ein­wenig ge­lang. Al­ler­dings fehlte mir die Liebe und Zu­nei­gung, die ein Kind in diesem Alter braucht. Wenn auch meine Groß­el­tern sich in den Fe­rien nach besten Kräften be­mühten, war dies weder El­ter­ner­satz, noch konnten die be­ste­henden Wunden bei mir hier­durch ge­heilt werden. Man lebte mit an­deren Be­hin­derten zu­sammen, weit ab von der ge­sell­schaft­li­chen Nor­ma­lität – am Rande der Ge­sell­schaft. Aus­ge­grenzt!

Trotz allem machte ich den Haupt­schul­ab­schluss, be­suchte die Fach­ober­schule, auf der ich den Re­al­schul­ab­schluss er­reichte und exa­mi­nierte nach ver­schie­denen be­ruf­li­chen Sta­tionen, zum Al­ten­pfleger. Seit dem Jahr 1998 er­halte ich wegen er­heb­lichster Spät- und Fol­ge­schäden, Er­werbs­un­fä­hig­keits­rente.

Meine Mutter, die noch lebt, küm­mert sich bis zum heu­tigen Tag um meine Brüder und um meine Schwester, aber nicht um mich. Wenn früher Ge­burts­tage in der Fa­milie ge­feiert wurden, konnte ich nicht daran teil­nehmen. Ich wurde in mein Zimmer weg­ge­sperrt und die Tür wurde ab­ge­schlossen.

Meine Mutter wohnt heute ca. 15 Mi­nuten von mir ent­fernt wenn ich sie beim Ein­kaufen treffe. dann grüßt sie mich noch nicht einmal. Bei meinen an­deren Ge­schwis­tern ist sie immer da. Bis heute hat sie es nicht ge­schafft, sich mit meiner Be­hin­de­rung ad­äquat aus­ein­ander zu setzen.

Ich bin al­leine. Meine Be­hin­de­rung, ins­be­son­dere mein Aus­sehen, be­ein­träch­tigt mich bei der Part­ner­suche. Ich hätte gerne eine kleine Fa­milie und Kinder.

Der Um­fang der ge­sell­schaft­li­chen Aus­gren­zung ist un­fassbar: In der Schul­zeit wurde ich unter den Hör­ge­schä­digten zwar auf­grund meines Aus­se­hens ge­hän­selt, aber nicht so schlimm wie durch nicht­be­hin­derte Men­schen. In Mün­chen wurde mir mit an­deren Be­hin­der­ten­gruppen der Ein­lass in der Disco wegen der Be­hin­de­rung ver­wei­gert. Ver­mieter scheuen vor einem zu­rück, überall wird man an­ge­st­arrt.

Wie lange das mit nach­las­senden Kräften von mir noch be­wäl­tigbar ist, ist völlig un­klar. Ge­rade vor dem Alter habe ich Angst!

Um we­nigs­tens für später feste Un­ter­kunft zu haben, würde ich mir von einer Ent­schä­di­gung eine kleine Woh­nung kaufen.

Hierfür reicht die Con­ter­g­an­rente, die ich in ihrem Höchst­satz - 545 Euro bis zum 01.07.2008 und nun­mehr 1.116 Euro - be­ziehe, nicht aus.

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