Anscheinend gab es die Festsetzung eines Zwangsgeldes mit einer Frist bis zum 28.04.2016 von Seiten des VG Köln am 22.04.2016.
VG Köln, Beschluss vom 22.04.2016 - Aktenzeichen 7 M 36/16
Titel:
VG Köln: Conterganstiftungsgesetz, Zwangsgeld, Expertise, Exemplar, einstweiligen Anordnungen, Antragsteller, Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsantrag, Schindler, Kopp Schenke, Vollstreckungsverfahren, Regelungsbefugnis, Contergan, Assmann, Wegnahme, Prozessgericht, öffentliche Hand, Vollstreckungstitel
Normenketten:
§ VWGO § 172 VwGO
§ VWGO § 123 VwGO
§ ZPO § 883 ZPO
§ VWGO § 167 Abs. VWGO § 167 Absatz 1 VwGO
Rechtsgebiet:
Verwaltungsverfahren und -prozess
1. Dem Antragsgegner wird die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,00 Euro angedroht, wenn er den Antragstellern nicht bis zum 28. April 2016, 12 Uhr, je ein Exemplar der „Expertise über die Leistungen an Leistungsberechtigte nach dem Conterganstiftungsgesetz“ (Autor: Prof. Dr. Dr. h. c. Andreas Kruse) sowie der „Expertise über das Verfahren der Gewährung von Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe an Leistungsberechtigte nach dem Conterganstiftungsgesetz“ (Autorin: Rechtsanwältin Gila Schindler) in der Ausarbeitungsform zur Verfügung stellt, in der sie dem Antragsgegner von den Autoren übergeben wurden.
2. Dem Antragsgegner wird die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,00 Euro angedroht, wenn er den Antragstellern nicht bis zum 28. April 2016, 12 Uhr, je ein Exemplar der oben genannten Expertisen in der von dem Antragsgegner abgenommenen Fassung zur Verfügung stellt.
3. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung über das Vollstreckungsverfahren vorbehalten.
Gründe
Der Vollstreckungsantrag der Antragstellerin ist nach § VWGO § 172 VwGO statthaft. Danach kann das Gericht des ersten Rechtszuges auf Antrag unter Fristsetzung ein Zwangsgeld gegen eine Behörde androhen, festsetzen und vollstrecken, wenn diese in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § VWGO § 123 VwGO einer ihr im Urteil oder in einer einstweiligen Anordnung nach § VWGO § 123 VwGO auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt.
Der Anwendungsbereich des § VWGO § 172 VwGO in Abgrenzung zur Generalklausel des § VWGO § 167 Abs. VWGO § 167 Absatz 1 VwGO, der die Vorschriften des 8. Buches der ZPO für die Vollstreckung für entsprechend anwendbar erklärt, ist umstritten. Zwar geht die in Rechtsprechung und Literatur herrschende Meinung davon aus, dass § VWGO § 172 VwGO einschränkend auszulegen ist und nur solche einstweiligen Anordnungen nach § VWGO § 123 VwGO betrifft, die die Behörde zum Erlass eines Verwaltungsaktes oder anderer hoheitlicher Maßnahmen verpflichtet, bei denen der Staat eine spezifisch hoheitliche Regelungsbefugnis für sich in Anspruch nimmt,
vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 172, Rn. 1 m. w. N.
Bei anderen einstweiligen Anordnungen, die beispielweise auf eine vertretbare, schlicht hoheitliche Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gerichtet sind, soll § VWGO § 172 VwGO dagegen keine Anwendung finden,
vgl. OVG Münster, Beschluss vom 12.12.1973 - OVGMUENSTER Aktenzeichen VB87173 V B 871/73 - NJW 1974, NJW Jahr 1974 Seite 917.
Demgegenüber geht eine nur vereinzelt vertretene Auffassung davon aus, dass § VWGO § 172 VwGO für die Durchsetzung nicht auf Geldleistungen gerichteter hoheitlicher Verpflichtungen aufgrund einstweiliger Anordnungen eine umfassende und abschließende Sonderregelung darstellt, die die Anwendung der §§ ZPO § 883 ZPO i. V. m. § VWGO § 167 Abs. VWGO § 167 Absatz 1 VwGO ausschließt,
vgl. Hess.VGH, Beschluss vom 08.11.1999 - 8 TM 3106/99 - juris, Rn. 4; Pietzner, in Schoch/Schmidt-Aßmann, VwGO, § 172 Rn. 16 ff.
Die Kammer folgt in dem hier vorliegenden Rechtsstreit, in dem es um eine Verpflichtung einer Behörde auf Herausgabe einer beweglichen Sache im Wege der einstweiligen Anordnung geht, der zuletzt genannten Auffassung.
Für diese Auffassung spricht nicht nur der eindeutige Wortlaut des § VWGO § 172 VwGO, der eine Vollstreckung durch Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes in allen Fällen des § VWGO § 123 VwGO unabhängig vom Inhalt der einstweiligen Anordnung vorsieht.
Vielmehr ist diese Form der Durchsetzung von Verpflichtungen einer Behörde aus einer einstweiligen Anordnung in dem besonderen Fall der Herausgabe einer beweglichen Sache rechtlich geboten, um die Rechte der Antragsteller effektiv durchzusetzen. Die nach § 167 Abs. 1 i. V. m. § ZPO § 883 ZPO in den Fällen des Herausgabeanspruchs angeordnete Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher ist in diesem Fall weder effektiv noch im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung angemessen.
Die Durchsetzung des Anspruchs der Antragsteller auf die Zur-Verfügung-Stellung je eines Exemplars (in Form einer Kopie oder eines Datenträgers) der streitgegenständlichen Gutachten ist eilbedürftig. Die Beauftragung eines Gerichtsvollziehers durch die Antragsteller nach § ZPO § 883 ZPO in diesem ungewöhnlichen und unübersichtlichen Fall dürfte nicht geeignet sein, zu einer schnellen Verwirklichung des Rechts beizutragen. Darüberhinaus erscheinen die Befugnisse eines Gerichtsvollziehers im Rahmen des § ZPO § 883 ZPO (Wegnahme durch den Gerichtsvollzieher, Ladung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung) im Verhältnis zu einem Träger öffentlicher Verwaltung zu weitgehend. Das gilt insbesondere im Hinblick auf das hier vorliegende besondere Verhältnis der Organe der öffentlichrechtlichen Contergan-Stiftung untereinander.
Vielmehr ist der Regelung über die Vollstreckung von Geldforderungen gegen die öffentliche Hand in § VWGO § 170 VwGO zu entnehmen, dass die in der ZPO vorgesehene Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher nach § ZPO § 802 a ZPO hier nicht als angemessen angesehen wird, sondern durch das Prozessgericht erfolgen soll.
Dies spricht dafür, im vorliegenden Verfahren § VWGO § 172 VwGO anzuwenden.
Der Antrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen einer Vollstreckung der Verpflichtung aus der einstweiligen Anordnung des erkennenden Gerichts vom 07.04.2016 - Aktenzeichen 7L298915 7 L 2989/15 - liegen vor. Die einstweilige Anordnung nach § VWGO § 123 VwGO ist ein Vollstreckungstitel, der dem Antragsgegner am 12.04.2016 zugestellt wurde. Der Beschluss ist wirksam und vollziehbar. Die Einlegung der Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster durch den Antragsgegner hat nach § VWGO § 149 Abs. VWGO § 149 Absatz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung. Eine Aussetzung der Vollziehung ist bisher nicht erfolgt. Eine Vollstreckungsklausel ist gemäß § VWGO § 123 Abs. VWGO § 123 Absatz 3 VwGO i. V. m. § ZPO § 929 Abs. ZPO § 929 Absatz 1 ZPO nicht erforderlich.
Der Antragsgegner hat die aus der einstweiligen Anordnung folgende Verpflichtung, die genannten Expertisen den Antragstellern zur Verfügung zu stellen, bisher nicht erfüllt. Die von dem Antragsteller hierfür gesetzte Frist bis zum 18.04.2016 ist ausreichend, weil für diese Handlung nur ein geringer Zeitaufwand erforderlich und aus den Gründen des Eilbeschlusses Eile geboten ist.
Es ist nicht damit zu rechnen, dass der Antragsgegner die einstweilige Anordnung in Kürze befolgt. Er hat durch die Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss vom 07.04.2016 und den Antrag an das Oberverwaltungsgericht, die Vollziehung des Beschlusses auszusetzen, zu erkennen gegeben, dass er bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts die Gutachten nicht herausgeben will. Daher erscheint auch eine nochmalige Aufforderung durch das Gericht, die Verpflichtung zu erfüllen, nicht erfolgversprechend.
Die beantragte Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall einer weiteren Nichtbefolgung des gerichtlichen Beschlusses war daher geboten. Die Höhe des Zwangsgeldes ist angemessen, um den erforderlichen Druck auf den Antragsgegner auszuüben. Die gesetzte Frist bis zur Festsetzung des Zwangsgeldes bis zum 28.04.2016 ist kurz, aber ausreichend, um die Gutachten zugänglich zu machen. Sie ist auch erforderlich, weil die Angaben des Antragsgegners zu dem Zeitpunkt, in dem der Evalierungsbericht dem Bundestag übergeben wird, ständig variieren und für das Gericht und die Antragsteller nicht nachvollziehbar sind. Es kann daher nicht sicher davon ausgegangen werden, dass es bis Ende April nicht zu einer Weiterleitung des Berichts kommt.