Mehr Rente für Contergan-Opfer

ARZNEIMITTEL Besonders die am schwersten Geschädigten bekommen wesentlich mehr Geld. Die Hälfte der heute rund 50-jährigen Betroffenen des Skandals ist pflegebedürftig. 85 Prozent haben Schmerzen

BERLIN dpa/epd/taz | Die Renten für die rund 2.700 noch lebenden Contergan-Opfer werden deutlich erhöht. Sie sollen rückwirkend ab Januar von derzeit höchstens 1.152 Euro auf maximal 6.912 Euro monatlich steigen. Im Durchschnitt liegen die Renten aber deutlich unter dieser Höchstgrenze.

So sieht es der am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag diskutierte Gesetzentwurf vor. Er wurde gemeinsam von Union, FDP und SPD eingebracht. Auch Grüne und Linke zeigten sich in der Debatte offen für eine gemeinsame Verabschiedung.

Die Oppositionsparteien tun sich schwer damit, den Antrag der Koalition zu unterstützen. Sie wollten eigentlich den Aachener Contergan-Hersteller Grünenthal stärker in die Pflicht nehmen. Doch damit setzen sie sich dem Vorwurf aus, die praktische Hilfe für die noch nicht verstorbenen Opfer des Arzneimittelskandals weiter zu verzögern. Eine Studie der Heidelberger Universität machte jüngst darauf aufmerksam, wie schnell die Contergan-Betroffenen altern.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sagte im Bundestag, die Erhöhung der Renten bedeute nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr Respekt und Gerechtigkeit für die Betroffenen. Bisher seien vor allem sehr stark geschädigte Menschen benachteiligt worden. Ihre Unterstützung werde nun am stärksten erhöht.

Für die Erhöhung stellt der Bund nun 90 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Weitere 30 Millionen Euro sollen eingesetzt werden, um den spezifischen Bedarf der Betroffenen zu decken. „Ein jahrzehntelanger Missstand geht damit zu Ende“, sagte der Vorsitzende des Contergannetzwerks Deutschland, Christian Stürmer.

Contergan steht für den größten Arzneimittel-Skandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. Grünenthal hatte das Schlafmittel 1957 auf den Markt gebracht. Viele werdende Mütter nahmen es ein – es half auch gegen Schwangerschaftsübelkeit. Doch bald wurden weltweit etwa 10.000 Kinder mit schweren Missbildungen vor allem an Armen und Beinen geboren. In Deutschland waren es ungefähr 5.000.

Der körperliche Zustand der heute etwa 50-jährigen Opfer entspricht laut der Heidelberger Studie jenem von 70- bis 80-Jährigen. Die Kompensation fehlender Hände, Arme oder Beine führte zu folgenschweren Haltungsschäden. Rund 85 Prozent der Betroffenen klagen über Schmerzen. Die Hälfte ist pflegebedürftig.